Chinas Geschichte im Comic – China durch seine Geschichte verstehen – Band 1

Der Autor Liu Jing hat mit dem vierteiligen Comic über die Geschichte Chinas ein ambitioniertes Vorhaben unternommen. Ungefähr 5000 Jahre Geschichte und Mythen ranken sich um Chinas Genese und Jing Liu versucht diese in extrem geraffter Form in einer bebilderten Variante dem Leser des chinesischen Auslands näher zu bringen.

Das Spannende an diesem Comic ist zudem, dass diese gesamte Reihe, wie auch einige andere Veröffentlichungen des Verlags Chinabooks E. Wolf, in zweisprachiger Ausführung daherkommt. Die erste Hälfte des Comics ist in deutscher Sprache und die zweite in chinesischer. Zudem wird auf eine Website hingewiesen, mit derer Hilfe man sich der korrekten Aussprache vergewissern kann sowie auf eine Website, die Vokabeln dieses Comics auflistet; vor allem für Interessierte und Lernende der Sprache sehr reizvoll und gut umgesetzt.

Doch was passierte denn eigentlich im Zeitraum 2697 vor der Zeitenwende bis 220 nach der Zeitenwende in der geografischen Region, die wir heute China nennen?

Die Geschichte „Chinas“ ist von Unruhen, Herrscherdynastien, Hungersnöten, Kriegen um die Vorherrschaft, Intrigen und dem ewigen Wunsch, die Völker des Großraums China zu vereinen und sie mit der „perfekten“ Staatsform zu regieren geprägt.

Doch sollte man erst an die Anfänge zurück, um zu verstehen, seit wann man von „Chinesen“ reden kann. Tatsächlich stammen die meisten der heute noch in China lebenden Menschen von den sogenannten „Han-Chinesen“ ab und bilden somit die weltweit größte Ethnie mit einem Anteil von knapp 20% der Weltbevölkerung. Aufgrund der vielen unterschiedlichen nomadischen Volksgruppen, die sich in der Region China und angrenzend befanden, gab es seit Anbeginn eine bunte Durchmischung. So ließen sich beispielsweise die heutigen Dialekte der chinesischen Sprache erklären.

Allerdings versuchten bereits frühe Kaiser der chinesischen Dynastien ihre eigenen Ländereien, Bevölkerung und ihre Macht gegen einfallende Völker zu schützen. So können sich die über Jahrhunderte fortwährenden Bauarbeiten, Restaurierungen und Fortsetzungen der Chinesischen Mauer erklären. Es sind tatsächlich mehrere Teilstücke, von denen ein Teil als „die lange Mauer“ bezeichnet wird, jedoch hat diese auch keinen Anschluss zu den anderen Teilstücken.
Der erste Kaiser, dem es übrigens gelingen sollte, alle chinesischen Völker und Regionen unter einer Regierung zu vereinen, war Zheng von Qin (221 v.d. Zw.), der das Staatssystem noch mehr zentralisierte, Maßeinheiten vereinheitlichte und auch die Schriftzeichen vereinfachte und vereinheitlichte.

Die eindrucksvollen Zahlen, die das Comic – wohl eher Sachbuch – liefert, sind manchmal schockierend. So haben sich Dynastien, auf Erbrecht basierende Monarchien mit zentralisierter Regierung, über mehrere Jahrhunderte halten können. Allein die erste historisch belegbare Dynastie der „Zhou“ (1047-256 v.d. Zeitenwende) umspannt fast die gesamte Zeit des Römischen Reichs. In diesen Zeitraum lassen sich die ersten datierbaren Schriftzeichen legen. Sie wurden auf Schildkrötenpanzern entdeckt, die man als Orakelknochen verwendete, um die Zukunft vorherzusagen.

Weiterhin sehr beeindrucken, ja fast schockierend sind die Zahlen des Bevölkerungswachstums und Niedergangs. Nach dem Untergang einiger Dynastien und den vorherrschenden Strukturen, teilweise begünstigt durch häufig in China auftretende Naturkatastrophen, schwand die Bevölkerung um Zweidrittel. Die extremsten Zahlen lassen sich nach dem Zerfall der Han-Dynastie (202. v.d. Zw – 220 n.d. Zw.) finden, wo sich die Bevölkerung nach dem Zusammenbruch der Regierung 85 Jahre lang im Krieg befand und ganze 71% der Menschen ihr Leben verloren. Die höchsten absoluten Zahlen weist die Ming-Dynastie (1368-1644) auf, deren 40-jährige Periode des Konflikts und der Hungersnöte nach dem Zusammenbruch 95 Millionen Menschen das Leben kostete.

Diese und noch mehr spannende Daten, die einen des Öfteren zum Staunen bringen, lassen sich in diesem ersten Band finden.

Zudem werden grundlegende philosophische Konzepte und gedankliche Strömungen der Gesellschaft dargestellt, aufgezählt und teilweise im Detail besprochen. Der Konfuzianismus wird in einem eigenen großen Teil sehr ausführlich besprochen, in seinen Tugenden, Zielen und Methoden erläutert und der immer noch anhaltende Einfluss auf die Gesellschaft klargestellt. Auch andere wichtige Strömungen werden mit ihren wichtigsten Persönlichkeiten genannt.

Viele Intrigen und Schlachten, die Entstehung der Seidenstraße, die Erfindung des Papiers und viele weitere Kaiser später endet dieses Comic mit dem Untergang der Han-Dynastie, die als kulturell sehr prägend für China war und ist. Die bis heute geläufige Art zu kochen und zu essen etablierte sich, also die Benutzung von Stäbchen und die Zubereitung mundgerechter Speisen. Auch die Geschichtsschreibung, Gedichte und Philosophie lässt sich in den Zeitraum der Han-Dynastie gut dokumentiert zurückverfolgen. Bis dorthin ist der geografische Raum „China“ schon sehr weit gegangen, ist große Opfer eingegangen und hat endlos viele Kriege geführt.

Der Stil und das Formate

Der Gesamteindruck des Comics ist (sicherlich auch des Inhalts wegen) eher schlicht. Es ist eine schwarz-weiß bebilderte und mit reichlich Text versehene Geschichtserzählung, die viel mit Karten, Scherenschnitt-Stil, Doppelseiten und Grafiken arbeitet.

Die Zeichnungen als solche sind simpel, zweckdienlich und vor allem nett anzusehen. Die Zeichnungen sind wirklich sehr unterstützend, was den teilweise sehr komplexen Inhalt angeht. Doch auch kleine charmante zeichnerische Kniffe lassen sich darin finden. So werden eher tumbe Soldaten mit tief im Gesicht hängenden Helm und nur einem übergroßen Zahn dargestellt, gewiefte Gelehrte tragen langes Haar und haben ihrer hageren Gestalt passend einige Falten im Gesicht und Kinder beziehungsweise Säuglinge sind stets lachend und aktiv zu sehen.

Die vielen Grafiken und Schaubilder, die sehr häufig auch in der deutschen Fassung die chinesischen Zeichen und somit die urtümliche Schreibweise nicht scheuen, spornen einen nahezu an, es vielleicht doch einmal mit der Sprache Chinesisch zu versuchen.

Es muss jedoch betont werden: Das Seltsame an dieser Reihe ist, dass keinerlei Hinweise auf dem Umschlag oder der Rückseite des Buches über die zweisprachige Ausführung zu finden sind. Andere Veröffentlichungen des Chinabooks Verlags tragen diesen Hinweis.

Fazit
Der erste der vier Bände der Reihe „Chinas Geschichte im Comic“ kommt extrem voll an Informationen über Dynastien, Herrschaftssysteme, die Entstehung von Kultur, den Werdegang der Philosophie und der geografischen Entwicklung Chinas daher. Dabei ist vieles davon teilweise merklich gerafft und so stark eingekürzt, dass es einem manchmal schwerfällt, den zeitlichen und örtlichen Sprung gedanklich zu verfolgen. Es ist allerdings klar, dass ein Comic, dessen Anspruch es ist, nur einen Überblick zu schaffen, den Mut zur Lücke haben muss und sich nur an den großen und wichtigen Schritten der Entwicklung entlang bewegt. Für jeden Menschen, der sich bereits fragte, was es mit China auf sich hat, auf welchen Ursprung dieser in vielen Teilen unbekannte Kulturkreis zurückzuführen ist, sollte sich diese Reihe zu Gemüte führen. Allein der erste Band gewährt einige Einblicke, die mehr als aufschlussreich und interessant sind. Es ist kein Comic für zwischendurch oder einen gedankenlosen Sonntag. Es ist ein Comic, mit dem man sich bilden kann und etwas lernen möchte, daher sollte es um den Anhang „Sachbuch“ erweitern werden. Nichtsdestotrotz ist „Chinas Geschichte im Comic“ ein ganz fantastischer Einstieg in die Geschichte und Philosophie Chinas. Ein Sachbuch-Comic zum Weiterempfehlen für Sinologie-affine Menschen.
Pro
Extrem umfangreich und informativ, einfache und informative Schaubilder, zweisprachig für Chinesisch Lerner.
Kontra
Kein Hinweis auf zweisprachige Ausgabe.
10

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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