Jimmy Liao – Das Kino des Lebens

Unsere Rezensionsreihe der Werke Jimmy Liaos wird mit dem derzeit beim Chinabooks Verlag zeitlich gesehen aktuellsten Buch, namentlich „Das Kino des Lebens“, abgeschlossen.

Es sollte angemerkt sein, dass Liaos Werke durchweg vielschichtig, allesamt fantastisch illustriert sind und eine emotionale Tiefe erreichen, wie es nur wenigen Comics oder Bilderbüchern gelingt.

Liao begann seine Karriere aus einer persönlichen Lebenskrise und zählt, seitdem das Magazin „Studio Voice“ ihn 2003 dazu kürte, zu den 55 einflussreichsten Künstlern Asiens. Übersetzt wurden seine Werke in neun Sprachen und sein Gesamtwerk wird stetig bekannter.

Die Handlung

In dem Buch „Das Kino des Lebens“ führt Liao die LeserInnen durch eine Lebensgeschichte, die sich mit der Faszination fürs Kino, dem Film, dem Fantastischen, all seinen Geschichten und erlebten Gefühlen wundervoll authentisch nachempfinden lässt. Viele Menschen werden heutzutage mehr oder weniger selbstverständlich mit dem Medium Film groß, dabei hat es eine ganz eigene Faszination, in einem Kinosaal mit anderen und meist fremden Menschen einen Film auf einer großen Leinwand gemeinsam zu sehen. Diese Begeisterung für den Film sowie einflussreiche Filme der letzten 50 Jahre lassen sich in diesem Buch wiederfinden.

Man beginnt die Geschichte aus den Augen eines kleinen Mädchens, dessen Mutter sie früh verließ. So gehen ihr Vater und sie regelmäßig ins Kino. Da die Mutter ebenfalls eine Cineastin war, erhofft sich das anfänglich kleine Mädchen, eines Tages ihre Mutter dort zu finden. Das Mädchen wächst heran, es verliebt sich, die Verliebtheit vergeht, es wird erwachsen und beginnt ihr eigenes Leben mit einem Mann, einer Zukunft im Kino, im Film. Egal in welcher Phase, das Kino ist ihre Konstante des Lebens. Es ist das Mittel, um sich zu entspannen, zu weinen oder zu lachen, wenn es sein muss. Sie heiratet den engagierten Regisseur, dessen Karriere aber nicht gelingen mag, sodass sie gemeinsam in eine unüberwindbare Krise fallen. Ihre Ehe zerbricht langsam und eine traurige Erkenntnis muss die Protagonistin machen:

„Da dämmerte mir endlich: Die ganze Zeit waren wir süchtig nach einer Traumwelt gewesen und zu feige, uns dem wirklichen Leben zu stellen.“

Das Kino des Lebens, Chinabooks

Als sie dann kurz darauf selber Mutter wird und nun die Rolle ihres eigenen Vaters einnimmt, der ihr – als sie klein war – immer versicherte, dass sie vielleicht dort eines Tages die Mutter beziehungsweise in ihrem aktuellen Fall den Vater treffen würden, schließt sich ein sehr rührender erzählerischer Kreis. Die Geschichte spinnt sich fort und es lohnt sich unbedingt, das Ende und den Weg dorthin selber zu lesen.

Das Motiv der Sehnsucht nach einem verlorenen Menschen, jemandem, der unerreichbar ist oder wird, kann als sich wiederholende Thematik in Jimmy Liaos Werken finden. Auch die wiederkehrenden weiblichen Hauptfiguren sind wohl stilprägend für Jimmy Liaos Bilderbücher. Ob die weiblichen Heldinnen gewählt werden, um eine Unschuld zu verkörpern, lässt er dabei stets offen. Vielleicht fällt es einem geneigten Leser auch schlichtweg leichter, emotional offen zu sein, wenn einem Mädchen widerfährt, was ihnen in den Geschichten passiert. Dabei ist an keiner Stelle eine Geschlechterrolle überspitzt oder nicht zeitgemäß dargestellt. Die Geschichten sind allgemein sehr wertungsfrei.

Der Stil

Wie in all seinen anderen bereits besprochenen Werken sind die Bilder fabelhaft. Die Kunst, die er aufs Papier bringt, schafft Atmosphäre, sie begeistert oder ernüchtert, sie ist beschwingt oder lässt einen manchmal am Rande einer schweren Träne die nächste Seite umblättern.

Das Besondere in diesem Werk ist, dass er die vielen Anspielungen zu Filmen ganz einfach in seine Szenen einbaut. Dazu werden Filmplakate, bekannte Schauspieler oder einfach szenische Anspielungen zu bekannten Filmklassikern in seiner Inszenierung genutzt. So verbindet er seine Geschichte mit den vielen darin referenzierten Filmen zu einer wirklich guten Hommage an den Film, der – so dargestellt – etwas wirklich Bezauberndes ist.

Fazit
„Das Kino des Lebens“ ist eine wundervolle, traurige, lebensbejahende, melancholische und liebevolle Geschichte über das Kino, das Leben und die Liebe, die einen ein Leben lang begleitet. Die Bilder sind mehr als nur schön, die Texte zeugen von vielen Erfahrungen und Leidenswegen des Autors, über das er sich filigran und treffend auszudrücken weiß. Jimmy Liao hat wieder einmal eine traumhaft schöne und herzzerreißende Geschichte geschrieben, die man jedem Filmliebhaber, aber auch Begeisterten für eine gute Geschichte empfehlen sollte.
Pro
Wunderschöne Bilder zu einer emotionalen Geschichte.
Kontra
Nichts.
10

Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

Autoren

Sportwetten Tipps von Overlyzer