Undiscovered Country 2: Einheit

Die 2019 in den USA gestartete Dystopie-Reihe „Undiscovered Country“ wurde von Charles Soule („Daredevil“) und Scott Snyder („Batman“) geschrieben.

Diese zwei Autoren erschufen mit diesem Comic eine Zukunftsvision einer Welt, die aufgrund einer Pandemie auseinanderbricht und sich einer neuen Ordnung der herrschenden Systeme anpassen muss. Am krassesten haben sich dabei die ehemaligen USA verhalten, denn sie schotteten sich von der Außenwelt ab und starteten ihr eigenes, sehr spezielles Experiment, geleitet von einer Organisation mit dem Namen Aurora.

Nun ist der zweite Band der Reise des Teams um die Geschwister Graves ins unbekannte Amerika bei Cross Cult erschienen.

Die Handlung

Auf dem Cover prangt bereits die sich wiederholend inkarnierende Figur Dr. „Onkel Sam“ Elgin, der eine Cyborg-Adaption ganz nach dem Vorbild des „WE WANT YOU“-Plakats präsentiert. Es lässt sich also vermuten, dass die Figur des Dr. Elgin mehr Relevanz für diesen Comic haben wird, als anfänglich vermutet.

Wir beginnen diesen zweiten Band mit einer Rückblende einer Konferenz der Vertreter der 13 Zonen der ehemaligen USA. Es ist kein Zufall, dass es in „Undiscovered Country“ 13 Staaten sind, die diese neuartige Vereinigung von Staaten unter dem „Star-Spangled Banner“ bilden. Zur Gründung der realen USA 1781 waren es ebenfalls 13 Staaten, die den Beginn machten.

Der Präsident dieser hier zu besprechenden Realität nach der Abschottung zur Außenwelt aufgrund des Sky-Virus, der verdächtig stark wie Clint Eastwood aussieht, mahnt die teilnehmenden Staaten zur Solidarität. Dr. Elgin eröffnet ihnen, dass die Zyklotrongeneratoren und der Nutzen dieses ominösen Materials sowie die genetisch-biologische Beeinflussung der Umwelt bereits zu drastischen Veränderungen der Flora und Fauna geführt hätten. Welche Ausmaße diese Eingriffe in Zukunft annehmen könnten, ist unklar. Dr. Elgin wirkt wie die moralisch wissenschaftliche Instanz, die alle zur Vernunft drängen möchte.

Das Team um Charlotte und Daniel Graves haben es geschafft, dem „Destiny Man“ aus der Zone „Schicksal“ zu entkommen und rasen nun im Zug in die nächste Zone: „Einheit“.
Dort angekommen entdecken sie eine Welt, die nahezu farblos scheint und werden kurzer Hand vom totgeglaubtenOnkel Sam“ begrüßt. Ohne dies tiefergehend zu hinterfragen, folgen sie dem vertrauenswürdigen Senior in die Stadt, in der sich ihre Fragen beantworten würden.

Ein Kollektiv oder eine Einheit?

Angekommen in „Unity-City“ empfängt sie Dr. Raina, die Gründerin und Erfinderin der Technologie, die diese Stadt zu dem machte, was sie nun ist: Eine Großstadt im Einklang, ohne Leid, basierend auf Technologie und Einheitlichkeit. Alle sehen nahezu gleich aus, kleiden sich gleich und leben gleich. Die Menschen leben für und mit dem Kollektiv in Harmonie. Doch etwas trübt den Glanz dieser perfekten Welt.

Der USA Spezialist Ace Kenyatta verbindet sich auf das Angebot der Dr. Raina mit der Nanotechnologie der Unity und kann nun selber konstruieren und rekonstruieren; alles allein mit Kraft seiner Gedanken und einem kleinen technischen Hilfsmittel.
Er und die Journalistin Val begeben sich auf eine Spritztour und Spurensuche des vor geraumer Zeit entstanden Energieausstoßes, der alles Bekannte in den Schatten stellte. Ace Kenyatta hat eine Theorie, kann diese jedoch nicht belegen. Zeitgleich ist der ebenfalls durch den Tunnel gelangte „Destiny Man“ ins System der Dr. Raina eingedrungen und richtet nun beachtlichen Schaden an.

Auch die Vergangenheit der Charlotte und des Daniel Graves spielen mehr und mehr eine Rolle. Sie wurden von ihren Eltern, die anscheinend eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des aktuellen Status quo spielen, dazu angehalten, alle 13 Zonen zu durchschreiten und die Welt zu retten.

Es kommt, wie es kommen muss. Der „Destiny Man“ tut das, was er am besten kann: Zerstören und die Dinge ihrem Schicksal überlassen. Ace und Val entdecken etwas, das der Zone „Einheit“ allen Perfektionismus nehmen wird und „Lottie“ und Daniel finden ihre Bestimmung. Wo geht die Reise hin? Wird das Team in dieser übertechnologisierten und nahezu kommunistischen Region verweilen, sich der Einheit erfreuen oder die nächsten Zonen in Angriff nehmen? Wer oder was ist Dr. Sam Elgin und was ist Aurora? All das wird hoffentlich bald geklärt.

Der Stil

Der Zeichner dieses, wie auch des vorigen Bandes, ist Giuseppe Camuncoli. Leonardo Marcello Grassi hat die Tuschzeichnungen angefertigt und Matt Wilson die Farben eingefügt. Dieses sehr harmonisch arbeitende Team schafft es auch in diesem Band eine einzigartige und sehr überzeugende Welt zu kreieren. Die kleinen Details und Anspielungen sind allesamt sehr durchdacht und bieten großen Spaß.

Die Figurendesigns sind zumindest im Kern-Team gleich geblieben, etwas stärkere Outlines, kräftige Expression der Gefühle in den Gesichtern und abwechslungsreiche Perspektiven.
Das im Anhang dieses Comics zu findende Extramaterial zum Design der Figuren und Zone Einheit lassen tiefe Einblicke zu. Es wurden sich sehr viele Gedanken gemacht zum „World-Building“, die so offensichtlich nicht sind, aber umso großartiger, wenn man dieses Zusatzmaterial gelesen und gesehen hat.

Die drei Künstler haben es geschafft, eine ganz eigenständige Welt zu erschaffen, zum vorherigen Band gänzlich anders in Farben, Formen und der gezeigten Gefahren. Das bereits auf der letzten Seite angedeutete nächste Thema der nächsten Zone, so viel sei verraten, wird sicherlich rein optisch ein großes fulminantes Fest der Augenklappen und holzverzierten Kajüten.

Die inhaltliche Umsetzung

Die sich immer weiter entwickelnde Welt des „Undiscovered Country“ hält noch vieles bereit. Wenn das Erzähltempo weiterhin so bestehen bleibt, wird es wohl auf eine 13-bändige Reihe hinauslaufen, eine Zone = eine Hardcoverband.

Nebst der weniger gewordenen, aber doch noch recht präsenten „Selbstverherrlichung“ der USA und ihren einstigen Idealen und Errungenschaften, was zugegebenermaßen historisch nicht hundert Prozent korrekt dargestellt wird, bleibt dieser Comic mit seiner langsamen Erzählweise und den partiell eingestreuten Rückblicken zu vermeintlich wichtigen Ereignissen recht behäbig. Die Spannung bleibt gering, denn es scheint niemand ernsthaft gefährdet zu sein, wenn sich so mächtige Gegner plötzlich ihrem Sinneswandel hingeben und dem Team-Weltrettung helfen.

Die angesprochenen Themen wie politische Unfähigkeit der „damaligen“ (also heutigen) Führungsriege, wie auch das Konzept eines quasi kommunistischen Staates, der die Einheit und das Kollektiv als höchstes Gut ansieht, sind interessante Themen, aber leider nur beiläufig diskutiert. In diesem zweiten Band wird viel mehr noch auf soziale und politische Strukturen eingegangen, diese erörtert und sich für andere Perspektiven eingesetzt. Doch selbst dann entscheiden sich die Figuren für ihren eigenen Weg und sämtliche Diskussionen finden ein Ende. Selbst die im vorherigen Band aufgeworfenen Fragen nach Loyalität, Pflichtbewusstsein und der Suche nach der Wahrheit werden in diesem Band nicht angetroffen oder nochmals aktiv thematisiert. Das Format und der Preis dieses Comics, ein Hardcover mit fantastischen Extras für 22€, ist mehr als gerechtfertigt.

Fazit
Der Cross Cult Verlag hat sich mit der Reihe „Undiscovered Country“ eine abgedrehte Apokalypse-Geschichte ins Haus geholt, die in den kommenden Bänden sicherlich noch eine Menge abwechslungsreiche und thematisch relevantere Themen der aktuellen Zeit ansprechen wird. Es lässt sich wie bereits angesprochen erkennen, was der Comic erzählen will und wohin es gehen soll. Auf den großen „Aha-Moment“ wartet man jedoch noch.
Pro
Interessante Dystopie, fantastische Designs, Bezüge zu aktueller Politik.
Kontra
Langsam voranschreitende Geschichte, ungelöste thematische Probleme, Selbstverherrlichung der "alten" USA.
9

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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