Avengers – Die Kang-Dynastie 1

8. September 2022
3 Minuten gelesen

Dieser Avengers-Run gehört wohl zu einem der beliebtesten, die in den letzten 30 Jahren entstanden sind. Nach der Marvel-Krise in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hat „das Haus der Ideen“ mit Kurt Busiek als Autor dieses 16 Hefte große Event hervorgebracht. Damit haben sich viele Figuren, die wegen Lizenzproblematiken nicht mehr im Marvel-Kosmos existierten, in den Vordergrund getan und wurden zu neuen Stars. Der Autor Busiek wurde mit seiner Arbeit an „Marvels“ beliebt und bekannt.

Dieses Event wurde von Alan Davis (Hefte 41-43), Manuel Garcia (Hefte 44-47), sowie Ian Churchill und Ivan Reis mit jeweils einem „Annual“ gezeichnet.

„Avengers: Die Kang-Dynastie 1“, der erste Band dieses zweiteiligen Events, erscheint im Softcover Paperback beim Panini Verlag.

Eine neue Bedrohung

Die Erde wird gefährdet durch eine neue, wenn auch nicht ganz unbekannte Bedrohung. Ein riesiges Raumschiff in Form eines Schwerts erscheint im Orbit der Erde, die Damokles Basis des Raum-Zeit-Reisenden Imperialisten „Kang der Eroberer“. Anstelle dessen schickt er seinen Sohn den „Scarlet Centurion“, dessen Identität von der damals noch Warbird heißenden Captain Marvel alias Carol Danvers als ein ihr lieb gewonnener Mensch identifiziert wird. Dieser Marcus entstammt jedoch einer anderen Zeit-Dimension und hat nur ein ihm fast schon genetisch inhärentes Gefühl der Zuneigung für Warbird. Dies wird im späteren Verlauf der Geschichte den Avengers zum Vorteil, wenn auch nur kurz.

Der Thronfolger Kangs stellt der Erde im Beisein der Avengers ein Ultimatum: Keine Angriffe auf die Damokles-Basis im erdnahen Orbit und eine freiwillige Kooperation zur Befriedung der Welt. Denn Kang ist allen Erdenbewohnern eines voraus, da er alle möglichen und immer zum gleichen Ende führenden Szenarien der Zukunft gesehen habe. So argumentiert er, dass seine Führung die einzige Methode zur Abwendung dieser Krisen sei und erreicht damit vor allem eines: Die Menschheit spaltet sich und beginnt sich zu bekriegen für oder gegen die neue Herrschaft des zeitreisenden Eroberers. Ganz nebenbei wird zudem die dissoziierte Persönlichkeit des Dr. Hank Pyms gerettet und wieder vereint.

 Ein Kult, ein Mitglied und ein Herr

Als dann der schon früh zur anscheinend wichtigen Figur ausgearbeitete Held Triathlon von einer ihm bekannten Sekte erzählt, wird die Geschichte um eine weitere Ebene erweitert. Nicht nur kritisiert Busiek großflächig das System der hierarchischen Herrschaft, eines durch Ideologie und die Bekämpfung eines größeren Feinds geeinten Kollektivs, sondern auch noch die Strukturen einer Glaubensgemeinschaft und die damit einhergehende Macht. Denn Triathlon war einst Teil des Kults „Brüder des Geistes“ um den charismatischen Anführer Jonathan Tremont. Seine faschistoide Vorstellung von Anhängerschaft ermöglicht ihm, ein geheimes Raumschiff zu bauen. Denn Tremont hat eine Vorahnung zu einer eintreffenden Entität, die weit größer sein wird als Kang.

Der unsichere und von sozialen Missinterpretationen geplagte Delroy Garett, auch bekannt als 3D-Man und eben Triathlon, wird im Verlauf dieses Events eine extrem wichtige Rolle spielen und wird kunstvoll von Busiek dazu aufgebaut.

Als die Welt nun im Krieg zu versinken droht, erscheint ein neuer Spieler auf dem Brett. Es ist der selbsternannte „Herr der Welt“, der sich als ein 40.000 Jahre altes Wesen herausstellt, das eine Art biologische Maschine mit extrem fortgeschrittener Technologie ist. Mittels dieser ist es möglich, riesige, mit effektivsten Waffen ausgerüstete und ganze Städte einschließende Schutzwälle aus dem Boden wachsen zu lassen. Dieser hat jedoch eine eigene Agenda und möchte sich daher nicht den Avengers und ihren Zielen der Rettung der Welt zum Wohle aller Menschen anschließen.

Wie man sich anhand dieser kriegsträchtigen Handlung vorstellen kann, durchläuft man viele Kampfszenen. Allerdings sind die Dialoge mehr als das häufig zu lesende One-Liner-Festival. Die Figuren erleben ihre eigenen spannenden Entwicklungen, sie werden mitunter vielschichtig und auch häufig als ambivalente Charaktere gezeigt, die alle mehr oder minder unter ihrer Verantwortung zu kämpfen haben.

Vintage, nicht Retro

Den Stil, den Alan Davis in seinen Heften präsentiert, ist irgendwo zwischen retro und modern zu lokalisieren. Zumindest in Form und Ausgestaltung der Figuren finden sich einige eher den Comics der früheren Jahrzehnte zuzuordnenden Designs. Wiederum sind die Panels, die ihrerseits zumeist recht konventionellen Strukturen folgen, doch voll an Details, die man entdecken kann. Ihm gelingt eine Finesse in der Darstellung der Expressionen aller Charaktere sowie die Illustration großer Kampfszenen und dynamischer Bewegungen.

Die Zeichnungen von Manuel Garcia bewegen sich in einer ähnlichen Stilistik. Sie sind jedoch schwerer im Strich, trauen sich eher mit Schraffuren und Schatten zu arbeiten, zeigen allgemein eine etwas weniger glatte Welt. Die damals recht progressive Art zu zeichnen wirkt heute dennoch ungemein verhalten und brav. Auch in Garcias Heften wird selten mit der Form gespielt, was eine recht klassische Panelstruktur hervorbringt. Nur wenige Male bricht der Künstler mit dem Layout.

Beide Künstler verbindet der Mann hinter den Farben, Tom Smith. Dessen Arbeit und Auswahl schafft eine organische Brücke zwischen Tradition und Moderne. Der Hang zur einfarbigen Fläche, zumeist aus kräftigen Farben ist sehr „Old-School“. Sich dieses Klischees bedienend, wandelt Smith die Seiten zu etwas Neuem und auch noch bis heute Genutzten. Farbgradienten im Verlauf oder hartes Cell-Shading findet man je nach Vorgabe und Formsprache des Zeichners mal häufiger oder weniger. Dem Koloristen gelingt es so, die beiden Teile dieses ersten Bandes selbstverständlich zu vereinen und zu einer homogenen Geschichte werden zu lassen.

Fazit
„Avengers: Die Kang-Dynastie 1“ ist ein großartig erzählter und an Komplexität der Figuren reicher Auftakt für ein sehr vielversprechendes Avengers-Event. Sich erst einmal in den Stil der späten 90er/frühen 2000er eingefunden, übertrumpft diese Geschichte so manches Event, das heute als „großartig“ von der geneigten Presse betitelt wird. Hier finden sich neben großen Kämpfen auch die nötige Tiefe, um länger nachzuwirken und auch im Gedächtnis zu bleiben. Beides gelingt Kurt Busiek mit seinem Ensemble an Künstlern.
Pro
Fesselndes Geschichtenerzählen mit umfassender Charakterentwicklung; erforscht komplexe Themen der Führung und Ideologie; Verschiedene künstlerische Stile sorgen für ein einzigartiges visuelles Erlebnis.
Kontra
Kunststile können nach modernen Maßstäben als Retro gelten; Einige Leser finden die Handlung und die Dialoge möglicherweise komplex.
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Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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