Black Widow 3 – Das Schwert der Vergangenheit

12. Mai 2022
3 Minuten gelesen

Aller guten Dinge sind drei! So endet diese fabelhaft erzählte und Eisner-Award prämierte Reihe von Kelly Thompson schon mit dieser Ausgabe. Es geht natürlich um „Black Widow“, welche kongenial von Elena Casagrande illustriert wurde.

In diesem bei Panini Comics erschienenen Paperback „Das Schwert der Vergangenheit“ finden sich zudem noch die Zeichner Rafael de Latorre und Rafael T. Pimentel, beides brasilianische Künstler, deren Sterne erst am Horizont des Comics aufgehen. Koloriert wurden alle fünf Hefte von Jodie Bellaire, was den Gesamteindruck zu einer absolut gelungenen Einheit verschmelzen lässt.

Die Wehmut und die Gegenwart

Erst seit Kurzem ist die Black Widow alias Natasha Romanoff nicht mehr allein. Sie hat sich mit ihrer Schwester im Geiste, Codename White Widow, Yelena Belova verbündet und führt „das Netz“. Dorthin führte es – teils freiwillig, teils aus Mangel an Alternativen – die noch junge Anya Corazon alias Spider-Girl und Lucy Nguyen, welche erst im vorigen Band ihre Kräfte erhielt und noch kein Heldenalias hat. Sie trainieren und führen dort so etwas wie ein Zusammenleben.

Trotz der trauten Gemeinschaft plagt Natasha noch immer die Sorge um ihre verlorene Familie. Sie nimmt einen Vorwand, um einen Informanten aufzusuchen und dort zweierlei Dinge zu erfragen: Wie geht es ihrer Familie im Zeugenschutzprogramm? Was steckt hinter Michael „Apogee“ Voss‘ Angriff in der letzten Ausgabe?
Um Zweiteres zu klären, begeben sich Yelena und Natasha auf die Suche nach ganz besonderen Zwillingen. Lars und Liv sind tief mit der Unterwelt verstrickt. Ihre Fähigkeit ist es, Kraft und Größe, ähnlich dem Prinzip einer Waage, zwischen ihnen beiden zu teilen. Ist ein Geschwister riesig und muskulös, fällt die andere Person als knochiges Gerippe kraftlos in sich zusammen und andersherum. Schließlich gelingt es den beiden Widows, an die Informationen zu gelangen, und sie schmieden einen Plan.

Eine Gala der besonderen Art steht an und „das Netz“ findet Verstärkung in Clint „Hawkeye“ Barton und Bucky „Winter Soldier“ Barnes. Gemeinsam infiltrieren sie die Keller und verwinkelten Gänge. Doch dann steht ein scheinbar unbesiegbarer Erzfeind der Black Widow in ihrem Weg: Living Blade. Er ist schnell, hart wie eine Klinge und ein Meister mit allem, was schneidet. In einem Flashback wird kurz die Historie der Widow und Living Blade eingeführt. Schon damals konnte Natasha nur überleben, weil sie floh. Viele der Teammitglieder reagieren außerdem nicht mehr auf den Notruf. Etwas Großes muss dort vorgehen, etwas, das niemand erwarten würde. Black Widow kämpft hart und unerbittlich. Es hilft aber alles nichts, denn Living Blade trennt ihr einen Arm ab und sie droht zu sterben.

Wer steckt hinter dem Auftrag Living Blades? Wo ist Apogee hin verschwunden und warum antworten auch die Teammitglieder nicht mehr? Es wird brenzlich, spannend und überraschend.

Ein roter Faden

Sehr zu begrüßen ist der Versuch, ein gemeinsames Artwork auf die Beine zu stellen. Die bisher stilprägenden Zeichnungen Casagrandes wurden fantastisch als Vorlagen von de Latorre und Pimentel genutzt und in ihrer eigenen sehr ansehnlichen und eigenen Art umgesetzt.

Das eröffnende Heft stammt aus der Feder Rafael de Latorres und zeigt nebst des für die Serie bekanntgewordenen „de Luca Effekts“ (kontinuierliche Bewegung in Phasen auf einer Seite) auch tolle Perspektiven und Charakterentwürfe, die sehr gelungen sind. Einfache Formensprache, klare Strukturen, reduzierte Schraffuren und tolle Expressionen der Figuren sind ein paar Merkmale de Latorres Arbeit in dieser Ausgabe.

Die Hintergrundgeschichte von Black Widow und Living Blade wurde von Rafael Pimentel im Retro-Stil gestaltet. Natasha trägt noch ihre Kurzhaarfrisur, die Farben und Formen versprühen den Look und das Feeling der späten 60er Jahre Comics. Die in die Panels gelegte künstliche Oberflächenstruktur, die damalige Drucktechnik imitierend, ist ein weiteres subtiles Mittel, die Wirkung zu verstärken. Hin und wieder sehen einige Gesichter der Figuren nicht ganz proportional aus, dies fällt allerdings nicht weiter ins Gewicht.

Der von Casagrande gezeigte Stil ist nicht ohne Grund prämiert, sehr hochwertig und vielschichtig. Ihr gelingt es, die Titelheldin verletzbar, stark, kalt- oder warmherzig wirken zu lassen und dabei in keinem Moment dem Kitsch zu verfallen. In der sehr filmischen Art und Weise die Handlung zu erzählen, gelingt es Thompson und Casagrande wieder einmal, eine ideale Symbiose zu bilden.

Wäre da nicht diese eine Doppelseite, die wirklich darauf angelegt ist, das Heft oder vielmehr das Paperback fast aufzureißen. Wie schon oft präsentiert, bekommt man den „de Luca Effekt“ beim Kampf von Yelena und Natasha durch einen Flur. Beide Figuren starten auf der jeweils gegenüberliegenden Seite ganz am Rand und kämpfen sich zur Mitte, und damit auch zur Mitte der Seiten, also genau dorthin, wo die Seiten geklebt werden. Dies führt leider dazu, dass die wirklich tolle Idee, die beiden Widows in Weiß und Schwarz gleichsam dynamisch auf einen Fokuspunkt hin kämpfen zu lassen, massiv an Wirkung verliert. Dies ist jedoch der einzige wirkliche Kritikpunkt an dieser gesamten Ausgabe.

Fazit
Ein würdiger, überraschender und äußerst unterhaltsamer Abschluss einer fantastischen Reihe! „Black Widow“ hat seit Langem nicht mehr so viel Spaß gemacht und für medialen Aufruhr gesorgt. Die überaus konstruktive Zusammenarbeit Kelly Thompsons und Elena Casagrande waren die Treiber dieser fantastischen Mini-Serie über Marvels coolste Spionin. Sollte mit der Arbeit von Kelly Thompson jede vermeintlich eingestaubte Figur so viel Menschlichkeit und Gefühl erhalten (selbst ein Deadpool konnte davon profitieren), werden die kommenden Arbeiten umso spannender zu erwarten sein. Mit Fug und Recht ist diese Mini-Serie mit dem Eisner-Award gekürt worden und gehört somit zu einer der besten Marvel-Serien der letzten Jahre.
Pro
Die Handlung, die Charakterentwicklung und die gemeinschaftlichen Kunstwerke schaffen eine zusammenhängende und optisch ansprechende Erzählung. Der Versuch, einen gemeinsamen visuellen Stil verschiedener Künstler beizubehalten, ist lobenswert und zeigt die Verletzlichkeit und Stärke der Charaktere.
Kontra
Die Verwendung des „de Luca-Effekts“ in der Kampfszene zwischen Yelena und Natasha auf einer Doppelseite kann aufgrund seiner Platzierung auf dem Rücken des Taschenbuchs an Wirkung verlieren. Dies ist jedoch ein kleiner Kritikpunkt in einem ansonsten außergewöhnlichen Fazit.
9.4

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Lars Hünerfürst

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