Shang-Chi 1 – Gegen das Marvel-Universum

25. Dezember 2021

Erst 2021 erhielt die Titelfigur Shang-Chi seinen eigenen ersten Film im Marvel Cinematic Universe. Ungefähr zur selben Zeit startete diese nun bei Panini Comics vorliegende Reihe vom Autoren Gene Luen Yang. Die Illustrationen hat Dike Ruan zu diesem Auftakt der aktuellen Reihe beigesteuert.

Dem Titel zu Folge erwartet man vielleicht eine Geschichte, die Ähnlichkeiten zu „Deadpool killt das Marvel-Universum“ oder „Wolverine Staatsfeind“ hat. Allerdings muss diese Erwartung bereits – ganz zum Trotz des Covers dieses Paperbacks – gezügelt werden.

Eine Bunte Mischung Marvelhelden

Die Geschichte baut lose auf dem ebenso mit der Nummer 1 betitelten Paperback „Tödlicher Drache“ auf.

Shang-Chi ist nach dem Tod seines Vaters zum Kopf des Bundes der fünf Waffen geworden. Er hat auf dem Weg dorthin die Bekanntschaft und Freundschaft mit zwei weiteren Oberhäuptern anderer Häuser gemacht, die ihm nun als Gefolgsleute und Leibwächter in die nächsten Abenteuer beiseitestehen.

Shang-Chi strebt grundsätzliche Reformen an; er will nicht unter den Dogmen und Vorsätzen seines totalitären und radikalen Vaters leben und führen müssen. Daher begibt er sich in die Unterwelt, in der illegale Substanzen und Waffen gehandelt werden. Dort trifft er auf Spider-Man, der ebenso auf der Suche nach diesem kriminellen Ring ist. Ein überraschend animalisches Team-Up entspinnt sich, um den Drahtzieher der Operation zu fassen.

Ein weiterer Auftrag führt das Team bestehend aus Shang-Chi, Takeshi und Esme (alle Oberhäupter verschiedener Waffen des Bundes) zu einer Auktion, auf der sich Schurken von Rang und Namen versammeln. Dort soll ein magischer Würfel, sehr dem Tesserakt aus „The Avengers“ (2012) ähnlich, den Besitzer wechseln. Ein schwungvoller Schlagabtausch und das überraschende Auftreten Captain Americas verändert die Situation gänzlich. Immer wieder werden die Machenschaften von Shang-Chis Vater und dem Bund der fünf Waffen auf Shangs aktuelle Taten projiziert. Dabei will dieser so vieles anders machen und den Bund aus dem Schatten ins Tageslicht holen.

Der Bund der fünf Waffen

Die geplanten Reformen des Shang-Chi treten des Öfteren auf Widerworte und werden teils heftig kritisiert. Vor allem seine zwei Freund Esme und Takeshi argumentieren häufig mit konservativen und retrospektiven Ansichten. Erste Zweifel zur Integrität des Bruders Schwert, namentlich Takeshi, werden laut, als dieser den begehrten Stein einfach selber stiehlt und Captain America täuscht. Immer wieder wird zudem (anfangs nur im Anschnitt, dann im Profil und später auch in Gänze) eine Figur eingeführt, die zeitgleich zu allen Aktivitäten Shang-Chis für Zwist und Illoyalität sorgt. Die lange namenlose Person möchte Shang-Chi entmachten und wird bereit sein, jedes Mittel einzusetzen.

Shang-Chi gerät jedoch nicht nur unter Kritik, auch Verständnis wird geäußert. Zumindest an dem Punkt, als er die für verschollen geglaubte Kämpferin Zhilan plötzlich wiederentdeckt. Er will sie in das Team holen und ihr den Posten des Meister Stock verleihen. Doch auch in diesem so einfach scheinenden Unterfangen treffen sie auf eine weitere bekannte Persönlichkeit des Marvel-Kosmos. Kein Geringerer als Wolverine selbst wird ebenso versuchen, Zhilan von seiner Sache zu überzeugen.

Der Meister des Kung-Fu, auch Bruder Hand genannt und gleichzeitiges Oberhaupt der fünf Waffen, Shang-Chi, wird in diesem Paperback noch auf mehr große Namen des Marvel-Kosmos treffen. Dabei ist anzumerken, dass es nicht zu einer „Alle gegen einen“-Schlacht kommt. Jeder ausgetragene Konflikt ist ein Kampf von Held zu Held. Erst zum Ende dieser Reihe entsteht so etwas wie ein Team-Gefühl, das sich auch in das illustrierte Geprügele hinein wagt.

Der Stil

Der in China geborene Zeichner Dike Ruan studierte Architektur und fand nach und nach seinen Weg in die Welt der Comics. Seine Arbeit findet sich in einigen Titeln, jedoch ist Shang-Chi eines seiner prominentesten Werke – und es ist wirklich gelungen.

Die Zeichnungen haben eine fusionierende Komponente mehrerer Stile in sich. Ein wenig Manga (bzw. Manhua) und viel US-Comic haben sich gefunden und werden etwas sehr Ansehnliches und Frisches. Dieser von Ruan gezeigte Stil macht viel Hoffnung auf einen Dogmenwechsel in den derzeitigen Superheldencomics. Oft sind sie geleckt glatt, knallig bunt und im Modus der Action-Perspektive verhangen.

Klar finden sich auch in diesem Comic viele dieser Elemente. Jedoch zeigt Ruan auch einige 9-Panel-Raster, die durch die starre Struktur und gezeigten Ausschnitte eine treffende Komik erzeugen. Viele der gezeigten Panelstrukturen sind allerdings dynamisch und variieren zwischen überlappenden, ineinander verschachtelten und konventionellen umrandeten Panels.

Die Figurenentwürfe, vor allem die der großen Helden, richten sich klar nach stilistischen Vorbildern. Ruan gelingt es aber mithilfe vieler feiner Linien und der sehr gelungenen Kolorierung von Tríona Farrell ein vertrautes und gleichzeitig anderes Gefühl in den Bildern zu erzeugen. Die Farben sind etwas gedeckter und daher ruhiger in ihrer Ausstrahlung. An ein paar Stellen scheinen die genannten feinen Linien für Schattenschläge gedacht zu sein, wirken aber seltsam deplatziert: beispielsweise in der Kinn-Mund-Partie Shang-Chis in voll ausgeleuchteter Position. Da sieht es dann aus, als hätte man sich nicht entscheiden können zwischen Barthaaren, Schmutz oder Schnurrhaaren, die dargestellt werden sollten.In der Summe machen die Zeichnungen (auch wegen der coolen Kung-Fu Moves und Perspektiven) sehr viel Spaß.

Fazit
Der erste Band von „Shang-Chi“ hat bereits viele Hochkaräter als Gastauftritte und viele Anspielungen auf andere Figuren zu verzeichnen. Dies wird so nicht weiterzuführen sein. Dafür sind die aufgebauten Konflikte aus Tradition und Reformation, Familienclan-Mentalität und gleichberechtigter Teilnahme an Prozessen spannende Themen, die viel Potenzial für folgende Hefte innehalten. Dieser von Yang und Ruan in Kooperation aufgebaute Charakter Shang-Chi passt gut in die aktuelle Zeit und es macht Spaß, ihn auf seinem Weg zu begleiten. Kung-Fu, Mystik und aktuelle Konflikte bündeln sich in Shang-Chis Fäusten und bereiten mit angenehm frischem Witz eine gute Unterhaltung.
Pro
Spannende Verschmelzung von Manga- und US-Comic-Stilen, dynamische Kunst von Dike Ruan, spannende Erkundung von Shang-Chis Charakter.
Kontra
Mögliche Inkonsistenz bei den feinen Schattierungslinien; einige Erzählelemente wirken für erfahrene Comic-Leser möglicherweise formelhaft.
8.6

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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