BRZRKR 1

Was passiert, wenn man einen Hollywood-Action-Star, ein Team aus sehr begabten Zeichnern und ein abgedrehtes Fantasy-Setting mischt? Wahrscheinlich genau das, was wir in „BRZRKR“ bekommen.

Das Comic-Debüt des Schauspielers Keanu Reeves ist die brutale Weiterführung vieler seiner Action-Filme. Hier wird zerrissen, geköpft, gestochen und gespalten. Zusammen mit Matt Kindt schrieb Reeves diese ihm auf den Leib gezeichnete Version eines Jahrtausende alten Unsterblichen. Ron Garney zeichnet und Bill Crabtree koloriert diesen brachialen Start, der von Stephanie Pannen für Cross Cult ins Deutsche übersetzt wurde.

Ich will sterben Können

„Es ist Zeit.“, spricht es aus einer schwarzen Limousine zum auf der Parkbank in Gedanken verlorenen B. Er ist die tödlichste Waffe, die es auf dem Planeten gibt, denn er ist unsterblich. Ohne Rücksicht auf Verluste oder Verletzungen geht er in die brenzlichsten Gefechte und geht seinem „Handwerk“ nach. Er schlägt durch Gesichter, zerreißt Körper, nimmt ihn zerfetzende Explosionen in Kauf, als wäre es Regen und marschiert im Alleingang durch die Feinde seines Arbeitgebers hindurch. Er arbeitet für die US-Regierung und wird von ihnen auch medizinisch und psychologisch betreut. Die Geschichte wird über Off-Sprecher Boxen eines therapeutischen Gesprächs mit der Ärztin Diana erzählt. Sie arbeitet daran, dem als B bekannten Ubunte dabei zu helfen, den Ursprung seiner „Begabung“ zu erfahren.

Ein großer Teil dieses ersten Bandes befasst sich mit der Origin der Figur B. Immer wieder werden durch frei gewordene Erinnerung längere Episoden in der steinzeitlichen Vergangenheit, seinem Ursprung, gezeigt. Dabei wird schnell klar, dass die Herkunft von Ubunte (bedeutet Werkzeug) durch nichts anderes als eine höhere Macht zu erklären ist. Seine Mutter bat in der Sorge und Not vor einfallenden Horden um ein Werkzeug, das ihr und ihrem Stamm bei der Verteidigung helfen würde. Was sie bekam, war ein Baby, das bereits nach zwei Monaten Schwangerschaft das Licht der Welt erblickte und schon zwei Jahre später fast vollständig ausgewachsen in die Schlacht zog. Es zeigt außerdem, wie solche Macht den nobelsten Mann korrumpieren kann.

Von Anfang an scheint es klar, dass Ubunte vom Leben geplagt ist. Er ist knapp 70.000 Jahre alt und kann nicht sterben, obwohl er den Tod für so viele Leben bedeutete. Die Erfüllung seines Wunsches und Hoffnung nach der Möglichkeit, überhaupt sterben zu können, sieht er in seinem jetzigen Arbeitgeber. Dieser scheint allerdings eigene, durchtriebene Pläne zu haben, denn wir bleiben zum Ende dieser Ausgabe mit dem Versprechen durch Diana stehen, nun die ganze Wahrheit zu erfahren.

Ein Schlachtfest

Wer sich hier vom Cover hohe Erwartungen auf den Inhalt des Comics holt, der mag vielleicht enttäuscht sein. Der Stil von Ron Garney ist gänzlich anders. Die Figurendesigns sind schlecht, dennoch reich an Details. Augen und Lippen sowie Kleidung und Schattierungen sind häufig bestehend aus vielen kleinen Linien und selten Farbflächen.

Da dieser Comic von seiner expliziten Gewalt lebt und sich darüber definiert, sollte man sich auf vielerlei gezeigte Wege, einen Menschen zu töten, einstellen. Diese explizite und sich selbst feiernde Brutalität gerät manche Male an seine Grenzen. Es scheint anfänglich absurd, wenn B alias Ubunte einem befeindeten Soldaten eine Rippe herausreißt, um sie ihm dann in den Hals zu rammen. Scheinbar viele Möglichkeiten, jemandem das Leben zu nehmen, werden hierin ohne Scheu gezeigt. Denn es ist ganz klar ein Titel, der sich ausschließlich an Erwachsene richtet. Die gezeigte Bandbreite an Szenarios gelingt Zeichner Garney sehr sehenswert. Von Hochtechnologie bis zu endlosen Steppen mit steinzeitlichen Hütten ist jedes Setting authentisch und interessant zu betrachten.

Die Farben sind zudem sehr gewählt und geben der Geschichte einen Look, der an Werke von vor 20 Jahren erinnert. Das genutzte Cell Shading, also voneinander mit harten Kanten getrennte Farbstufen der gleichen Farbe, verleiht den Bildern einen gewissen Retro-Charme. Es erinnert in einigen Passagen an einige Werke zum Helden Wolverine aus den Händen des John Romita Jr. Nicht nur die Farben oder die Zeichnungen, auch die Perspektiven und die schonungslose Gewalt fügen dieses Bild zusammen.

Fazit
„BRZRKR 1“ startet schonungslos und schlägt einem mitten ins von Explosionen zerrissenen Gesicht. Die dramaturgisch interessant gestaltete Origin, durch die Therapiesitzungen ans Licht geholt, funktioniert überzeugend und mitreißend gut. Der Titelheld B trägt eine spannende Ambivalenz in sich, die für die folgenden Titel viel Potenzial bereithält. Es ist jedoch vornehmlich ein Action-Comic ohne riesig philosophischen Tiefgang. Wer dies erwartet hat, kann nur enttäuscht werden. Allerdings erhält man sauber geschriebene Fantasy-Action, die in adäquat rauen Bildern gezeigt wird. Ebenso kann und wird vielleicht noch viel mehr Action und Splatter zu sehen sein, wenn es durch die weitere Menschheitsgeschichte hindurch geht. Vielversprechend und unterhaltsam!
Pro
Fesselndes und brutales Geschichtenerzählen, fesselnde Ursprungserzählung, visuell beeindruckende Kunstwerke mit einer Mischung aus Schauplätzen.
Kontra
Grafische Gewalt mag manche Leser abschrecken, es mangelt ihm an umfassender philosophischer Tiefe.
9.2

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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