Deadpool hatte im Jahr 2021 seinen 30. Geburtstag. Diese fünfte Ausgabe der – mittlerweile von Kelly Thompson geschriebenen – Reihe widmet sich diesem Ereignis. Die außerordentlich talentierte Autorin erhielt für ihre Adaption der Black Widow den Eisner-Award 2021. Doch nicht nur subversive Agentenstorys gehen ihr gut von der Hand. Bereits in Ausgabe 4 dieser „Deadpool“-Serie bewies sie ihr schreiberisches Können was Tonalität des Humors und die Behandlung von Figuren angeht.
Am Ende dieses Paperbacks geben die bisher einflussreichsten Autoren und Zeichner des regenerierenden Degenerierten alias Wade Wilson alias Deadpool einige Kurzgeschichten zum Besten. Darin lassen sich Verweise à la Deadpool auf die eigene fiktive Natur, vergangene Handlungsbögen und Figuren, dessen Bekanntschaft er machen durfte, finden.
Die Handlung
Der frisch erkorene König der Monster auf der einst Staten Island heißenden Insel bei New York hat eine Vision erlebt. In dieser wird er von einem riesigen Ungeheuer verschlungen, kurz nachdem er sein aktuelles Love-Interest Elsa Bloodstone geküsst hatte.
Doch erst einmal von vorn. König Deadpool herrscht über eine Schar Monster, stets in Begleitung seines Adjutanten Jeffrey (dem Landhai). Dieser ist auch in dieser Ausgabe der heimliche Liebling.
Elsa Bloodstone hingegen, verseucht und zum Sterben verurteilt, hat ihre Kräfte vom Blutstein, den bereits ihr Vater nutzte. Sie selber ist Monsterjägerin und wurde von einer Schwarmintelligenz aus dem „Saum“, der Zwischenwelt von Erde und Unterwelt, zu einem Pakt gezwungen.
Deadpool indes zieht los, um ebendieses Wesen umzubringen und Elsa schlussendlich von ihrer Erkrankung zu heilen. Es scheint etwas mehr als Freundschaft zwischen den beiden zu entstehen, so viel sei gesagt.
Im (so scheint es) letzten Heft dieser Reihe zieht Deadpool und seine Heerschar gegen den „Black King“ in den Krieg. Eine dem zweiten Film ähnelnde Castingsequenz erheitert darin sehr. Auch ist dieses Heft erheblich mehr mit Meta-Witz, selbstreferenziellem Deadpool-Humor und der Brechung der vierten Wand versehen, als die Hefte davor.
Daraufhin folgen die besagten Geburtstags-Kurzgeschichten der berühmten Deadpool Autor:innen und Zeichner. Darunter befinden sich solche fantastischen Team-Ups wie: Joe Kelly und Gerardo Sandoval, Skottie Young und Aaron Conley, Kelly Thompson und Kevin Libranda mit Bob Quinn, Fabian Nicieza und Patch Bircher, Gail Simone und Michael Shelfer, Daniel Way und Paco Medina, Gerry Duggan und Brian Posehn mit Scott Koblish am Zeichenbrett und natürlich Rob Leifeld selbst. Jedes Künstlerpaar hat bis zu sechs Seiten Platz, um seinen ganz persönlichen Bezug zum Söldner mit der großen Klappe zu zeigen. Die Schreib- und Zeichenstile könnten unterschiedlicher kaum sein – und das macht es so interessant.
Der Stil
Die Hefte der eigentlichen Handlung zeichnet Gerardo Sandoval absolut überzeugend. Der Zusammenschluss aus niedlichen und weichen Formen (wie beispielsweise bei Jeff, dem Landhai, und den dynamischen und brutalen Posen des Titelhelden) gelingt dem Künstler sehr. Die Action ist nicht schonungslos, aber auch nicht unbedingt ungewöhnlich brutal für Deadpool-Verhältnisse. Zumal Wade Wilson und seine Kumpanen in dieser Ausgabe hauptsächlich gegen formlose Monster oder Drachen kämpfen.
Die Rückblenden und ein doppelseitiges Panorama zeigen einen eigensinnigen Stil. Die Panels sehen aus, als hätte man sie mit einer Rasterfolie nachbearbeitet oder gar so, als wären sie auf alter Drucktechnik basierend danach nur abfotografiert worden. Eine interessante und gut genutzte optische Abwechslung.
Allgemein kann man sagen, dass Sandoval einen Deadpool mit Zipfel und breitem Kinn zeichnet. Der visuelle Stil erinnert ein wenig an Chris Bachalos Zeichnungen: Kantige und rissartige Formen, die sich durch viele Designs durchziehen. Die farbliche Gestaltung ist in dieser Ausgabe ziemlich düster. Dies mag zum einen daran liegen, dass sie in einer Art Unterwelt gegen schwarze Monster kämpfen, zum anderen vielleicht daran, dass mit dem Monster-Arc eine zunehmend düstere Grundstimmung in „Deadpool“ zu finden ist.
Die abschließenden Kapitel der vielen Zeichner reichen vom klassischen Deadpool bis zu abgefahrenen neuen Designs – mit vielen Taschen und wenigen Taschen am Gürtel, großen Waffen und vielen Schwertern oder eben nichts davon. Es ist schön anzusehen, wie vielfältig diese Figur in den letzten 30 Jahren schon gewesen ist. Der Blick in die Historie dieser Figur bietet wirklich einige sehr lesenswerte und optisch tolle Werke.