Devil’s Reign – Herrschaft des Teufels 1

2. Juni 2022
3 Minuten gelesen

Die „Herrschaft des Teufels“ oder auch „Devil’s Reign“ heißt der Start eines politisierten und das Zusammenleben der Marvelhelden verändernden Events. Kein Geringerer als des roten Teufels liebster Advokat Chip Zdarsky hat wieder einmal bewiesen, dass er ein beachtenswerter Autor ist. Drei der sieben Kapitel stammen aus Federn anderer Autoren wie Zac Thompson, Clay McLeod Chapman und Gerry Duggan.

Das Team visueller Künstler wird von dem Zeichner dominiert, der schon in der Vorgeschichte zu dieser Reihe extrem überzeugte: Marco Checchetto.
Ebenso am Zeichenbrett finden sich Davide Tinto, Manuel Garcia, Rafael De Latorre und Phil Noto. Der Kolorist Checchettos ist Marcio Menyz. Matt Milla arbeitete mit Davide Tinto zusammen, hingen ließ Garcia von Scott Hanna, Livesay, Victor Nava, Andy Owens, Lorenzo Ruggiero die Panels tuschen und durch Photobunker’s Dono Sánchez Almara & Fer Sifuentes-Sujo kolorieren. Phil Noto arbeitet wie gewohnt solitär an seinen Seiten. Federico Blee kolorierte das Kapitel für Zeichner und Tuscher De Latorre.

Das über 180 Seiten starke Paperback erscheint bei Panini Comics und kann der Start für etwas sehr Interessantes sein.

Der Teufel und der Politiker

Wilson Fisk hegt als Bürgermeister und ehemaliger Anführer des New Yorker Untergrunds immer doppelbödige Pläne. Doch nun ist es ganz offensichtlich. Er strebt nach vollständiger Macht über seinen Erzfeind Daredevil. Sein Weg der Macht ist nicht Geld oder Gewalt, es ist die Information. Damit wird dieser Comic prompt zum Spiegel der derzeitigen Informationskriege, die nicht nur im Ukraine-Krieg geführt werden. In den lang anhaltenden chinesischen Konflikten mit Hongkong und Taiwan, wie in den Wahlkämpfen der USA, auch in der europäischen neuen Rechten und nicht zuletzt in der Medien- und Staatskritik im Umgang mit der Corona-Pandemie ist die Rolle der Information zur wichtigsten Ressource überhaupt geworden.

Fisks Weg, diese fehlenden Informationen zu kompensieren, ist der offene Krieg, ein legaler Krieg. Er erklärt die Superhelden unter dem „Powers Act“ zu Illegalen in der Stadt New York. Ihre Kollateralschäden an der Stadt und deren Menschen seien zu hoch. Er entsendet die Thunderbolts, eine Schlägertruppe aus Schurken wie U.S. Agent, Rhino, Taskmaster, Electro, Agony und Whiplash, um Jagd auf die Superhelden zu machen. Ihnen gelingt recht zügig die Festnahme der Fantastic Four und Moon Knights.

Doch der Bürgermeister plant mehr als nur die legale Verfolgung der Helden. Er will Präsident werden und mittels einer stadtweiten Gedankenkontrolle seinen Weg ebnen. Dafür setzt er Doc Ock in das gerade freigewordene Labor des Mr. Fantastic und benutzt die Kräfte des Zebediah Killgrave, auch bekannt als Purple Man. Mit seiner Hilfe gelang es Daredevil einst, alle Menschen vergessen zu lassen, wer hinter der Maske des roten Teufels steckt.

Als Gegenentwurf und die einzige Hoffnung der Stadt stellt sich Luke Cage in die Öffentlichkeit und lässt sich zum Kandidaten für die anstehende Bürgermeisterwahl aufstellen. Zwei große Konflikte bahnen sich an, ähnlich der Situation des Civil War, dennoch etwas lokalpolitischer.

In der Zukunft relevante Nebenhandlungen

Doc Ock macht sich mithilfe der Technologie des Reed Richards auf die Suche nach weiteren Otto Octavius Iterationen. Er findet einen Wolverine, Hulk und Ghost Rider, die ebenso mit mehr als kräftigen Armen ausgestattet sind. Sie werden zu Ende dieses Paperbacks noch mal relevant. Außerdem wird angedeutet, dass Otto Octavius differierende Pläne zu denen Wilson Fisks hat. Reibungspotenzial ist vorprogrammiert.

Elektra hingegen wird sich ihrer Verfehlungen in der Vergangenheit, spezifischer dem Verrat an Daredevil, verantwortlich fühlen und begibt sich in einen Kaninchenbau voller Gefahren. Ihre Berührungspunkte zur Hand und einem legendären, im 2022 erschienenen „Spider-Man 4“ auferstandenen Jäger versprechen ausgefeilte Kampfszenen.

Auch die in New York lebenden Mutanten Krakoas, die wortwörtlich ihre Wurzeln dort in einer ständigen Vertretung ihres Inselstaates geschlagen haben, werden vom „Powers Act“ berührt. Doch berührt es sie nicht in der Weise, wie man es erwarten würde. Ein weiterer starker Auftritt von Emma Frost beweist, warum sie schlichtweg die „coolste“ Mutantin des hiesigen X-Men-Kosmos ist.

Die Stile

Wie schon in „Die Vorgeschichte zu Devil’s Reign“ kann der italienische Zeichner Marco Checchetto („Old Man Hawkeye“) wieder in allen Belangen überzeugen. Seine Bilder zeugen von Tiefe, grandiosen Perspektiven und einem Sinn für Atmosphäre. Seine Panels verkörpern die angespannte und halbdunkle Atmosphäre dieses Events in vollem Umfang. Der Kolorist Marcio Menyz schafft eine vortreffliche Synergie mit Checcetto. Seine Farben geben dem gesamten Setting die nötige Schärfe und eine zwielichtige Stimmung.

Davide Tintos und Matt Millers Arbeit mit dem Autor Zac Thompson an ihrem Kontraste schaffenden Heft befasst sich mit den Multiversums-Octavius. Es geling dem Team, einen poppigen, fast schon Cartoon ähnlichen und dennoch erwachsenen Stil zu entwickeln, mit dem sie einen Kontrast zum Stammzeichner setzen.

Manuel Garcia und sein großes Team aus Künstlern zeigen das inkonsistente und gewöhnlichste Heft in diesem Paperback. Es ist zugleich das Kürzeste.

Rafael De Latorre schmiegt sich kunstvoll an den Hauptzeichner Checchetto an, behält sogleich seinen eigenen Strich. Seine Arbeit ist ebenso kraftvoll und kantig, scharfsinnig in den Perspektiven und ausdrucksstark in der Darstellung der Emotionen. Phil Notos Stil hat es geschafft, einen Stil für eine ganze Reihe zu vereinen. Es gibt wohl wenige Künstler, die so repräsentativ für die X-Men stehen wie er. Seine klaren Formen, die reduzierten Schraffuren und das deshalb umfangreiche Spiel mit der Koloration ist markant für seine Panels. Die klaren Strukturen in seinen Panels sprechen eine ähnliche Sprache.

Fazit
Der Start von „Devil’s Reign“ ist eine gelungene Ouvertüre eines durchaus vielversprechenden Marvel-Events. Die Probleme sind irdischer denn je und versuchen im Ansatz den Missbrauch von politischer und medialer Macht zu spiegeln. Chip Zdarsky zeigt ausnahmslos, dass er in die hohe Riege der Comic-Autoren gehört. Die parallele Erzählweise, die Gegenschnitte, wie man sie aus guten Polit-Thrillern kennt, und die Exposition der Figuren mit wenigen treffenden Dialogen ist absolut überzeugend. Wer Daredevil bisher gemieden hat, sollte sich diesen Comic als Start nehmen und dem roten Teufel noch eine Chance geben. Definitiv eine Empfehlung.
Pro
Die Handlung rund um politische Intrigen und die Manipulation von Informationen spiegelt aktuelle Themen wider und verleiht der Erzählung Tiefe und Relevanz. Die Einbeziehung verschiedener Marvel-Charaktere mit jeweils eigenen Nebenhandlungen verspricht eine reichhaltige und miteinander verbundene Handlung, die der übergreifenden Erzählung Komplexität verleiht.
Kontra
Die Fülle an Charakteren und Nebenhandlungen könnte für Leser, die mit dem Marvel-Universum nicht vertraut sind, überwältigend sein und erfordert ein gewisses Maß an Vorkenntnissen.
9

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