„Der Mann ohne Furcht“ erlebt derzeit eine für Comics nicht untypische Wiederbelebung. In Serien des Marvel Cinematic Universe kommt Matt Murdock alias Daredevil vor, eine eigene Serie wurde bereits angekündigt und beim Panini Verlag wird nachgeholt, was die letzten Jahre ignoriert wurde. Den Start machte das von Chip Zdarsky geschriebene und Marco Checchetto gezeichnete Event „Devil’s Reign – Herrschaft des Teufels“.
Das insgesamt sechs Hefte kurze Event bezieht einen großen Teil der verschiedensten Marvel-Teams mit ein – sowohl hinter den Kulissen, also am Zeichenbrett und dem Skript, wie auch in der Geschichte selbst.
Die Autorenriege beinhaltet Gerry Duggan, Clay McLeod Chapman, Zac Thompson, Jim Zub und Rodney Barnes.
Von den Avengers, über Defenders, bis zu Thunderbolts finden sich viele Helden und Schurken. Erstaunlich bei all diesen Charakteren bleibt dennoch, wie Panini es geschafft hat, ein nur sechs Hefte langes Event auf drei Paperbacks mit einem stolzen Gesamtpreis von 68€ zu dehnen. Andererseits ist es ein großartiger Service, alle Tie-Ins, teilweise sogar relevant für Nebenfiguren der Haupthandlung, mit in die Paperbacks zu nehmen. Außerdem erhalten wir einen Status quo angesagter Zeichner und eine große Vielfalt an Stilen. Mit dabei sind neben Checchetto noch Davide Tinto, Manuel Garcia, Phil Noto, Rafael De Latorre, Luciano Vecchio und Guillermo Sanna.
Erinnere dich!
Das Event begann damit, dass Bürgermeister Wilson Fisk seine über Jahre hinweg akquirierten Akten über die Superhelden nach Daredevils Identität durchsuchte. Er fand nichts und war offensichtlich so erzürnt über diese Tatsache, dass er ein generelles Verbot für Superhelden über die ganze Stadt New York verhängte. Mit den Kräften des Purple Man, unter anderem Gedankenmanipulation, gelang es ihm, den Powers Act sowie eine Schlägertruppe aus Superschurken zu installieren.
Ein großer Bestandteil dieser ganzen Reihe sind die zahlreichen Tie-Ins. Einige Figuren treten nur einmal auf, verschwinden dann wieder. Andere hingegen (wie Elektra, Doktor Otto Octavius oder die Geschichte rund um den USAgent) werden über mehrere Hefte ausgebreitet. Unterschiedlicher können diese nicht sein, denn Elektra nimmt es mit der Organisation „die Hand“ auf, um ihre sie immer wieder einholende Vergangenheit zu einem Abschluss zu bringen. Doch wird ein neuer Anführer preisgegeben, der die Hand in eine neue Ära leiten wird. Er trägt einen Totenkopf und ist wohl der brutalste Kerl im ganzen Marvelkosmos. Doc Ock plagt sich derweil in anderen Welten mit seinen alternativen Versionen herum und versucht seine Vormachtstellung als der einzige und beste Doc Ock zu behaupten. Die Vielfalt ist wie schon zu sehen wirklich sehr groß. Leider bleiben die meisten dieser Geschichten in sich geschlossen und bieten nur wenig Hinweise auf das fortschreitende Event.
Im Laufe der letzten Hefte des „Devil’s Reign“ passiert so einiges. Die gejagten Kinder des Purple Man, mit gleichen Kräften ausgestattet, wurden gejagt und gefunden. Ein Kind konnte entkommen und schließt sich nun den Helden an. Das von Fisk zurückerlangte Wissen um Daredevils Identität nutzt dieser sofort skrupellos aus. Er begibt sich in sein Appartement und will ihn töten. Allerdings ist es nicht Matt Murdock, sondern Mike Murdock. Dieser agierte lange Zeit als Double und aushelfende Identität des roten Teufels. Fisks Sohn, der über eine Intrige zum neuen Kingpin aufgestiegen ist, leidet unter dessen Tod besonders. Sie waren mehr als nur gute Freunde und er beginnt, sich gegen seinen Vater aufzulehnen.
Es endet alles unerwartet schnell und überraschend simpel. Die angedeuteten Konsequenzen werden wohl in den fortlaufenden Serien ausgeführt. Eines scheint zu bleiben, der Powers Act, da demokratisch gewählt und eine Verschiebung des Machtgefälles durch die Wahl des Luke Cage als neuen Bürgermeister.
Die Stil
Die Vielfalt der Stile ist auch in dieser Ausgabe sehr groß. Marco Checchetto als Hauptzeichner des eigentlichen Events zeigt – wie auch in den vorigen Ausgaben – sein ganzes Können. Viele Details, feine Schraffuren und eine sehr überzeugende Formsprache gehören zu seinem Handwerk.
Mindestens so häufig vertreten und ebenso kunstvoll zeichnet sich Rafael De Latorre ins Gedächtnis der Comic-Fans. Seine eher kantigen Designs und ein überaus scharfer Blick für perspektivisches Zeichnen kommt vor allem den Kampfszenen sehr zugute.
Mit gleich zwei Heften zeigen der Autor Duggan und der Stammzeichner vieler „X-Men“-Titel Phil Noto einen repräsentativen Einblick in den Stil der Mutanten. Saubere Linien, klare Formen, minimalistische Texturen und dennoch ein gerade wegen der Klarheit entzückendes Gesamtbild.
Der sehr poppige und bunte Stil, den Manuel Garcia in seiner „Doc Ock“-Story zeigt, funktioniert sehr gut im Rahmen seiner Handlung. Es ist grundlegend anders als der Rest dieses Paperbacks und sticht wegen seiner Nähe zum Cartoon und seiner visuellen Komik sehr heraus.
Dies sind nur einige Highlights an Zeichnern und Stilen, die man in diesem dritten Band entdecken und mögen lernen kann. Im Gesamtbild ist auch dieser Abschluss ein rundum gelungenes Festival für jede/n, der/die sich an qualitativ hochwertigen Bildern erfreuen kann.