Sterne sehen #1

19. November 2021

Das Genre Coming-of-Age ist in den letzten Jahrzehnten immer beliebter geworden. Da nicht mehr nur Themen wie Herzschmerz oder Konflikte mit anderen Gleichaltrigen ausschließlich darin behandelt werden, wird dieses Genre zudem auch interessanter für weitere Altersgruppen.

In „Sterne sehen“ von Asja Wiegand zeigt die Künstlerin, wie man ein solches Genre auch nutzen kann, um eine etwas andere Geschichte zu erzählen. Der Zwerchfell Verlag hat diese Miniserie in zwei Bänden veröffentlicht. Es ist ein kleines Paperback; die Seiten gedruckt auf etwas kräftigerem Papier, das sich sehr hochwertig anfühlt.

Die Handlung

Nina geht vor ihrer Arbeit in der Krankenhausküche gerne joggen. Eines Tages kommt sie an einem Unfall vorbei, der bereits von den Feuerwehrleuten geräumt wird und von Journalisten umzingelt ist. Nur ein wenig entfernt davon trifft sie auf eine junge Frau, die orientierungslos und scheinbar verletzt durch die Felder wankt. Nina bietet ihr Hilfe an und es führt dazu, dass die heimatlose Ela schon wenig später bei Nina einzieht.

Doch so alltägliche Dinge wie das Aufteilen der Mietkosten müssen geklärt werden. Also wird Ela Hundespaziererin und gemeinsam teilen sie sich nun die Ein-Zimmer Wohnung. Sie freunden sich an, teilen Kindergeschichten aus und erleben zusammen schöne Momente der Verbundenheit und des Vertrauens.

Wäre da nicht die Tatsache, dass Ela behauptet, sie käme nicht von diesem Planeten, sie sei ein Alien. Teils ungläubig, teils hilfesuchend, wendet Nina sich an ihre größere Schwester Anne. Nur wenige Tage später erscheint diese zu Besuch und Ela muss enttäuscht feststellen, dass ihr Vertrauen gebrochen wurde. Sie bat Nina, niemandem zu erzählen, dass sie ein Alien ist.

Asja Wiegand erzählt ganz leicht, teilweise in wenigen Panels und Worten, wie schwer sich die eigene Vergangenheit und der soziale Kontext Familie auf das eigene Glück auswirken kann. Die erzeugte Stimmung schwing zwischen kleinen Momenten der nostalgischen Melancholie und der gemeinsam erlebten schönen Einfachheit des Lebens.

Der Stil

Asja Wiegands Stil ist schwer beeinflusst vom japanischen Manga. Sie scheut auch die popkulturelle Referenz zum in den frühen 2000ern dazu gehörenden Pflichtprogramm vieler Kinder und Teenager und im TV laufenden Anime von Pokémon nicht, den Ela völlig entsetzt zum ersten Mal zu sehen scheint.

Die Gesichter können einer gewissen Manga-Formel unterliegend beschrieben werden. Die teils großen expressiven Augen, die spitze Gesichtsform, Gestik und Mimik, die dem Comic-Relief dienen, und das durchgehend zierliche Design der zwei Protagonistinnen sind dabei die maßgeblichen Charakterisierungsmerkmale. Der Eindruck wird durch den Nutzen der schwarz-weißen Kolorierung und den Einsatz von so etwas wie Rasterfolie verstärkt.

Die Szenerie ist häufig schlicht und funktional gestaltet. Das gibt einem ein gutes Gefühl für das Setting. Einige Szenen hingegen sehen aus, als wären sie mit sehr viel Liebe gezeichnet worden. Dies sind auch Szenen, in denen die Figuren etwas über sich offenbaren, also mit mehr Bedeutung für die Handlung geladen sind. Hin und wieder zeigt Asja Wiegand sehr schöne Bilder, beispielsweise ein Bildausschnitt von Ninas Gesicht, der sehr tief in die Figur blicken lässt. Diese Zeichnungen sind so auffällig, dass sie herausstechen, da ein Großteil der Panels reduziert wirkt.

Fazit
Die erste Hälfte von „Sterne sehen“ ist ungefähr so leicht, wie es einem das Cover verspricht: Zwei nach Verbundenheit suchende Frauen, die sich darin unterstützen und gemeinsam eine schöne Zeit erleben. Asja Wiegand erzählt in diesem unverfänglichen ersten Band einige interessante Aspekte des Zwischenmenschlichen, jedoch haben die Figuren und die Geschichte nicht so viel Tiefgang, dass man sich auf lange Zeit an Gesagtes erinnern würde. Was bleibt, ist ein Gefühl und ein Eindruck.
Pro
Eine leichte Lektüre mit unterhaltsam witzigen Zeichnungen.
Kontra
Figuren und Handlung haben nicht so viel Tiefgang, dass man sich nachhaltig daran erinnern würde.
7

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

1 Comment

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

Autoren

Sportwetten Tipps von Overlyzer