Black Widow 2 – Spionin mit gebrochenem Herzen

13. November 2021
2 Minuten gelesen

Kelly Thompson und Elena Casagrande haben geschafft, was nur wenigen Künstlerteams gelungen ist. Sie haben verbrannte Erde wieder zum Florieren gebracht. Die (auch wegen des falsch platzierten und ernüchternden Films „Black Widow“) für abgeschrieben geglaubte Figur Natasha Romanoff alias Black Widow brilliert in ihrer eigenen Reihe.
Das Team Thompson und Casagrande liefern mit ihrer Adaption der schwarzen Witwe einen überdurchschnittlichen Erfolgstitel ab, der prompt mit dem Comic-Oscar, dem Eisner-Award, ausgezeichnet wurde.

In dieser Ausgabe zeichnet zudem Rafael de Latorre mit.
Der Panini Verlag hat diese Reihe als Paperback nun fest in seinem Programm; eine Fortsetzung ist auch bereits für Juni angekündigt.

Die Handlung

Nachdem Natasha im ersten Band ihre auf ominösen Wegen erhaltene und innig geliebte Familie verlor, kämpft sie nicht nur mit Bedrohungen der Welt. Sie muss mit dem Schicksal leben, ihren Sohn nie wiedersehen zu können, da dieser und der Vater des Kindes andernfalls ermordet würden. Die Bewältigung dieses Verlusts wird über das gesamte Paperback immer wieder thematisiert.

Die eigentliche Rahmenhandlung bewegt sich jedoch in andere Gefilde. Sie jagt einen umtriebigen Geschäftsmann, der in superheldenartige boshafte Bestrebungen verwickelt ist. Der Anführer Apogee seines Kults zieht sich mithilfe eines Serums Anhänger heran, welche mit unterschiedlichen Kräften ausgestattet sind.

An eine der Anhänger:innen gerät die Black Widow eher zufällig. Sie versucht die junge Diebin Lucy von gegenteiligen moralischen Handlungsweisen zu überzeugen. Dies soll so lange noch nicht klappen, bis die talentierte junge Frau bewusstlos bei einer Infiltration aufgefunden und von Black Widow in ihre Zentrale zur White Widow Yelena Belova gebracht wird. Diese macht sich zügig daran, die ebenfalls mit Kräften ausgestattete junge Diebin zu trainieren, jedoch explizit gegen den Wunsch von Natasha. Ihre Erinnerungen an den Red Room wiegen zu schwer.

Eine weitere talentierte junge Frau wird zur Beschattung des Kults angeheuert: Spider-Girl Anya. Ihre spinnenartigen Fähigkeiten paaren sich exzellent, auch in der Inszenierung mit den agilen und schlagkräftigen Widows.
Auch eine fünfte starke Frau wird zum Ende dieses Paperbacks auf den Plan treten. Ebenfalls an der Westküste der USA lebend, mit Pfeil und Bogen ausgerüstet und als selbstständige Detektivin unterwegs, lässt sich Hawkeye nicht zweimal bitten, einen Kult machthungriger (größtenteils) Männer zu zerschlagen.

Der Stil

Der sehr homogene Stil dieses zweiten Bandes ist ebenfalls fantastisch. Die Zeichnungen glänzen in allen Belangen: Perspektiven, Linienführung, Reduzierung von Details an unwichtigen Stellen und gleichzeitiger Zurschaustellung der ansehnlichen Texturen und Oberflächen. Das wohl offensichtlichste Merkmal sind die mehrfach genutzten doppelseitigen Kampfsequenzen, die als sequenzierte Phasen eines komplexen Bewegungsablaufs gezeigt werden und die Heldinnen dabei einen Bösewicht nach dem anderen zu Boden ringen.

Neben dieser Sequenzierung, die sich auch mal in zehn kleinen im Raster angeordneten Panels über eine Doppelseite erstreckt und nur durch einige Highlights in etwas größeren Panels durchbrochen wird, zeigt dieser Comic etwas selten Gesehenes. Die Zeichner:innen nutzen eine Technik, die eigentlich der Fotografie eigen ist: den Fokus und Bouquet. In intelligent gewählten Szenen wird der Blickpunkt ganz subtil gelenkt. Die Unschärfe und die damit einhergehende Fokussierung auf gewisse Bildausschnitte lässt große Teile dieses Paperbacks extrem filmisch wirken. Zudem ist es so subtil, dass man dies, aus Film und Fernsehen gewöhnt, nur beim aufmerksamen Betrachten bemerkt.

Die Figurendesigns sehen, ob Gesichter oder Kostüme, alle sehr zeitgenössisch frisch und überzeugend aus. Die schwarze und weiße Witwe strahlen von sich aus schon eine Ernsthaftigkeit aus, die Lucy wegen ihrer jungen Naivität noch nicht innehat. Diese wortlose, subtile und charakterisierende illustratorische Raffinesse soll mal einer nachmachen.

Fazit
Wie bereits der erste Band von „Black Widow“ liefert Kelly Thompson auch hier eine wahnsinnig überzeugende Geschichte ab. Die Figuren wachsen menschlich und nachvollziehbar an ihren Problemen, die Herausforderungen sprechen aktuelle Themen von Machtmissbrauch an und die Zeichnungen sind die Kirsche auf dieser fantastischen Sahnehaube. Diese Serie sollte man sich definitiv genauer ansehen und verfolgen.
Pro
„Black Widow 2“ von Kelly Thompson, Rafael De Latorre und Elena Casagrande bietet eine fesselnde Handlung, gut entwickelte Charaktere, die sich mit Verlust und moralischen Dilemmata auseinandersetzen, und visuell beeindruckende Kunstwerke mit innovativen Techniken wie Fokus und Bouquet, was es zu einem Eisner macht Preisgekrönter Erfolg.
Kontra
Die Auseinandersetzung mit Verlust und moralischen Kämpfen kann für manche Leser emotional intensiv sein, und obwohl der homogene Kunststil gelobt wird, können die persönlichen Vorlieben hinsichtlich des filmischen Ansatzes unterschiedlich sein.
9

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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