Business Worm

20. Januar 2022
2 mins read

Der manchmal graue Alltag hat einen allzu oft sehr fest im Griff. Tagein, tagaus geht man seinem Tagwerk nach und überzeugt sich, alles für einen guten und sinnvollen Zweck zu tun. Sich dieser Thematik annehmend hat Tim Gaedke diese „Business Worm“ betitelte Graphic Novel kreiert. Sie ist als Paperback in englischer Sprache beim Jaja-Verlag erschienen.

Routine und Monotonie

Herr Worm arbeitet an der Börse. Jeder Tag beginnt für ihn gleich. Die Struktur ist nahezu identisch, in chronologischer Abfolge bestehend aus: den Kaffee am Morgen beim Durchlaufen beobachten, Zeitung lesen, Ankommen auf der Arbeit, dort mit Aktien handeln, danach gelangweilt am PC sitzen, sich über Post freuen, Raucherpause machen, als offensichtlich einziger den Geschirrspüler ausräumen, Dienstkarte abstempeln, in einer Bar ein Getränk nehmen und nach Hause fahren. Dort erwartet ihn manchmal sein kleiner Sohn „Nipper“ und sie essen zusammen. Die meiste Zeit jedoch führt Mr. Worm ein Leben in Einsamkeit. Die Kollegen im Büro sehen abschätzig auf ihn herab, lästern während der Raucherpause sogar über ihn. Er hätte es ja sehr schwer derzeit und sei trotz allem ein seltsamer Typ.

So fliegen die Tage dahin. Die genannten „Aktivitäten“ werden in den Panels aufs Wesentliche zusammengerafft. Eine Woche verfliegt blitzschnell und nichts scheint sich zu ändern. Doch es steht der Geburtstag seines Sohnes an, ein wirklich wichtiger Tag. Mr. Worm scheint jedoch irgendwelche Schwierigkeiten damit zu haben. Ihm gelingt es nicht, eine Grußkarte zu verfassen. Die Gründe dafür erfahren wir erst kurz vor Ende. Da diese Wendung wirklich überraschend und unvermittelt ist, soll an dieser Stelle dazu nichts weiter ausgeführt werden.

Form und Inhalt

Den grauen Alltag stellt Tim Gaedke treffend in verschiedenen Schwarz- und Grautönen dar. Mr. Worm trägt fast immer einen schwarzen Anzug und bewegt sich durch die Welt aus Beton und Technik, die ebenso eintönig daherkommt. Der Künstler verzichtet gleichfalls auf belebende Strukturen, Reliefs oder Muster in den Panels. Es sind nahezu immer einfarbige Flächen, die von ihren klaren und sauberen Outlines umrahmt werden.

Die Anordnung der Panels ist sehr schemenhaft, klar und geordnet. In solchen Szenen, in denen die Zeit gerafft wird, verdichtet sich die Anzahl der Panels. An anderer Stelle werden zwei Panels pro Seite verwendet, um der Szene mehr Raum und Zeit zu geben. Jedoch bleibt es durchgehend recht quadratisch und geradlinig.

Die Darstellung der Tierwesen ist Gaedke ebenso gut gelungen wie auch der Rest seines Werks. Die schlichten Zeichnungen der Insekten oder Wirbellosen verkörpern gerade wegen ihrer zurückgenommenen Ausgestaltung eine Stille. Mr. Worms Chef beispielsweise ist reich an Details und in seinem Design wie auch Verhalten sehr extravertiert.

Ein anfänglich merkwürdiges Mittel waren jedoch die scheinbar telekinetischen Fähigkeiten des armlosen Mr. Worm. Viele andere Tierwesen haben Gliedmaßen und können daher gewohnt mit der Umwelt agieren. Der Protagonist ist bekanntlich armlos und muss daher mithilfe von imaginären Gliedmaßen Gläser heben, Zeitung lesen oder mit der Maus herumklicken.

Fazit
„Business Worm“ ist ein kleines unscheinbares Comic, ganz in Grau. Ohne große Erwartungen zu schüren, konnte das Ende eine ungeahnte Dimension emotionaler Tiefe hinzufügen, die in dieser Form nicht zu erwarten gewesen wäre. Denn tatsächlich passiert bis dahin, gerade wegen der extrem vielen Alltagswiederholungen, sehr wenig bis nichts. Anders gesagt: Es geschieht immer das Gleiche. Dies langweilt ja bereits im eigenen Alltag, warum also das in einem Comic reproduzieren? Sicherlich um eine gewisse Fallhöhe zu etablieren, die umso effektvoller wirkt, wenn man sich ebenso einlullen lässt, wie es Mr. Worm scheinbar schon ist. Jedoch bleibt es trotz überraschender Wendung bei einem zwar schön gezeichneten, inhaltlich aber eher mäßigen Comic.
Pro
Realistische Darstellung der Monotonie, überraschende Wendung, wirkungsvoller künstlerischer Stil, symbolische Insektendarstellung.
Kontra
Wiederholter Charakter, begrenzte Farbpalette, minimalistisches Design, langsames Tempo.
8.6

Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

Sportwetten Tipps von Overlyzer

letzte aus Comics

Burlesque Noir 2

Mit dem Abschluss der Mini-Serie „Noir Burlesque“ landet Enrico Marini stilsicher auf beiden Beinen des Genres Noir. Diese bei Carlsen verlegte Hardcover Ausgabe beendet
Die-kleine-Zikade-und-der-alte-Ochs-Cover.jpg

Die kleine Zikade und der alte Ochs

Comics sind häufig verschrien als Bilderbücher für Kinder, die Lust auf Actionhelden haben. Dass dies nicht mehr stimmt, sollte Jedem klar sein, der sich
Batman One Bad Day Clayface Panini Cover

Batman – One Bad Day – Clayface

Zu den großen und bekanntesten Schurken des Batman-Kosmos entstehen nun seit Sommer 2022 einzelne Kurzgeschichten. Dieser von Collin Kelly und Jackson Lanzing geschriebene, durch

Roaming – Fünf Tage in New York

Das Leben als adoleszenter Mensch ist kein unkompliziertes. Vor allem dann nicht, wenn Freundschaft, Liebe und Karriere in einem bunten Gemengelage zusammenkommen. In ihrer

Crossover 1 – Kinder Lieben Ketten

Wer Comics mag, wird mit „Crossover“ voll auf seine Kosten kommen. Die von Donny Cates geschriebene Mini-Serie und von Geoff Shaw gezeichnete Reihe spielt