Die Geschichte der Science-Fiction

3. Oktober 2022
3 Minuten gelesen

Dieser Sachcomic hat es in sich. Über 200 Seiten geballtes Wissen, grafisch fantastisch aufbereitet, überwältigt einen nahezu. Daher ist es extrem schwer, diesem Comic in seiner inhaltlichen Dichte und der Art und Weise, die Fakten zu präsentieren, in einer Rezension gerecht zu werden.

Das Werk schafft es von der ersten Seite eine herrlich leichtfüßige und gleichzeitig faktenschwangere Stimmung zu kreieren. Wie bei einer guten Dokumentation werden die Textboxen mit den nötigen und perfekt passenden Bildern hinterlegt.

Dies ist der erste Comic des Autors Xavier Dollo. Illustriert hat diese grafische Enzyklopädie der Illustrator Djibril Morissette-Phan, der bisher an „Wolverine“ und „X-Men“ gearbeitet hat. Der Splitter Verlag hat diese Enzyklopädie wie gewohnt in einem hochwertigen Hardcover-Format auf den Markt gebracht.

Eine Zeitreise in die junge Kultur der Science-Fiction

Beginnend mit dem Ursprung aller Erzählformen, den griechischen Mythologien, über das späte Mittelalter beziehungsweise die frühe Neuzeit bis zum ersten Roman der Gattung wissenschaftliche Fiktion.
Die Geschichte ist extrem bekannt, jedoch überraschend, dass gerade Mary Shelleys „Frankenstein“ als die Geburtsstunde der Science-Fiction gilt. Diese Kurzgeschichte war die erste ihrer Gattung. Sie hat derzeitige technische Novitäten in eine Geschichte verpackt, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzte. Die Autorin und Mutter der Science-Fiction schrieb diese Geschichte (der Anekdote nach) in einem Urlaub.

Von dort an wird der Sachcomic immer dichter in seinen Fakten. Es werden die wichtigsten Vertreter der letzten Jahrhunderte porträtiert. Ihre Wirkung auf die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte lässt sich daran erkennen, dass noch immer Adaptionen dieser Klassiker auf den Markt gebracht werden. Einige Beispiele dieser Personen und Werke sind: Jules Verne („In 80 Tagen um die Welt“, „20.000 Meilen unter dem Meer“, „Reise zum Mond“) und H.G. Wells („The Time Machine“, „Krieg der Welten“).

Die Science-Fiction zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Einige Jahrzehnte später und auf der anderen Seite des Planeten entstanden billig produzierte und thematisch gänzlich freie Magazine, die Geburtsstunde der Pulp-Magazine. Der Autor lässt es sich nicht nehmen, solche kleinen Fakten wie den Ursprung des Namens „Pulp-Magazine“ zu beschreiben.
Diese Ära hat zahlreiche Autoren und die Kultur der Science-Fiction prägende Werke zu verantworten. Auch der Ursprung Superheldencomics findet sich in dieser turbulenten Zeit der billigen Heftchen.

Das wohl längste und umfangreichste Kapitel beschreibt „das Goldene Zeitalter“ der 30er und 40er Jahre in den USA. Zu dieser Zeit entstanden ikonische Erzählungen und Figuren, die jedes Kind noch heute kennt und auch immer wieder neu verlegt werden. Beispielsweise wird eine neue Comic Adaption des Tarzan bald ebenfalls beim Splitter Verlag erscheinen.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die rasante wissenschaftliche Entwicklung dieser Zeit sowie die vielen militärischen Konflikte und politischen Spannungen führten dazu, dass die Geschichten der Science-Fiction diverser und universaler/kosmischer wurden. Die Fantasie der Autor:innen war der Wissenschaft immer schon Lichtjahre voraus. Einer der bis in die heutige Zeit wirkenden Vertreter dieser Zeit ist Isaac Asimov, dessen Gesetze teilweise in der wirklichen Robotik angewendet werden.

Im Weiteren wird der Einfluss der „New Wave“ Englands und seinen herausragenden Autoren wie Aldous Huxley, George Orwell und Terry Pratchett hervorgehoben. Die Dystopie als Konzept der Science-Fiction hatte zu dieser Zeit Konjunktur.

Eines der letzten Teile dieses 1 Kilogramm schweren Werkes ist die Darstellung der letzten 60 Jahre Science-Fiction Historie. Auch dort halten einige Schwergewichte der Autorenriege wie Philip K. Dick, Frank Herbert und Robert Silverberg Einzug in die Graphic Novel.

Die Form und Darstellung

Wie auch in vorherigen Kapiteln dieses Comics werden immer wieder zeitgenössische Autoren in einer illustren Runde – entweder sich durch die Geschichte erzählend und gar räumlich bewegend – gezeigt. Sie selber werden die Erzähler ihrer eigenen historisch-kulturellen Auswirkungen. Dies schafft einen sehr angenehmen und seltsam persönlichen Rahmen, der die Leser:innen wie auf einem Spaziergang mit berühmten Persönlichkeiten schlichtweg mit Fakten überfüllt.

Etwas, das dieser Sachcomic zudem exzellent macht, ist, der Leserschaft handfeste Empfehlungen anzubieten.
Während sich der Autor in die Geschichte der wissenschaftlichen Fiktion einzelner geografischer Regionen wie Großbritannien, Deutschland und anderen Kontinenten widmet, werden die berühmtesten Werke in einer Art Zeitstrahl präsentiert. Dabei wird thematisch, kulturell oder medial unterschieden.

Einige Male werden auf doppelseitigen Schaubildern die wichtigsten Persönlichkeiten mit ihren Biografien gezeigt, Themen und ihre Vertreter durch die Historie dargestellt. Die Künstler nutzen auch die Freiheit, in einigen Momenten auf einer Meta-Ebene über die Science-Fiction durch die wichtigsten Persönlichkeiten und Vehikel über das Phänomen und die Kultur der Science-Fiction zu berichten.

Fazit
Wie man wohl an der Länge dieses Artikels erkennen kann, ist dieses Werk ein Comic mit großem Mehrwert. Man kann sich im Fakten– und Anekdotenwald verlieren, wochenlang darin aufhalten und mit dem Verlassen einen anderen Blick auf zeitgenössische Geschichten erlangen. Die umfassende, dabei allerdings immer noch durch den Autor minutiös ausgewählte und sortierte „Geschichte der Science-Fiction“ ist ein Comic, den man jemandem in die Hand drücken sollte, der glaubt, Science-Fiction ist, wenn Aliens aus Raumschiffen steigen und mit Laserkanonen um sich schießen. Dass das Genre eines der wahrscheinlich einflussreichsten Genres der Literatur, Comic, Film, Musik und bildenden Kunst ist, kann man gar nicht oft genug hinterfragen und darauf aufmerksam machen. Ohne Science-Fiction, zumindest durch die Visionen vieler Autoren inspiriert, wären vielleicht auch einige Erfindungen nie zustande gekommen. Xavier Dollo und Djibril Morissette-Phan haben mit diesem Comic einen Meilenstein geschaffen. Dieses Sachcomic kann ganz bedenkenlos unter den Weihnachtsbaum eines Science-Fiction-Fans oder Neulings wandern. Selbst ein begeisterter Sci-Fi-Fan kann aus diesem Buch noch etwas lernen.
Pro
Wahnsinnig umfangreich und mit schönen Illustrationen gespickt. Design und Nutzen jeder Seite fallen maximal effizient aus. Selbst ein begeisterter Sci-Fi-Fan kann aus diesem Buch noch etwas lernen.
Kontra
Der Umfang erschlägt einen.
10

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