Usagi Yojimbo – tierisch gut?

6. März 2023
3 Minuten gelesen

Gelegentlich entdeckt man etwas, das schon viele Jahre besteht und eine eingeschworene Anhängerschaft besitzt. Als ich „Usagi Yojimbo“ zum ersten Mal in der Hand hielt, fühlte ich, wie die „Ahnen“ und alle Fans der ersten Stunde erwartungsvoll über meine Schulter schauten und eine Reaktion erwarteten. Was soll man groß sagen? Entweder man liebt es oder man tut es als triviale Geschichte ab, die es schon Hunderte Male gab. Doch warum der tierische Samurai vielleicht mehr ist als nur ein Ronin in einem alternativen Japen sehen wir uns nun an. Die von Stan Sakai geschriebene und gezeichnete Reihe erscheint mittlerweile vollständig und in neuer Übersetzung beim Dantes Verlag in stabilen Paperbacks.

Angsthase, Angsthase … ab die Nase!

Mein Interesse für diese Reihe ist nicht ganz unvoreingenommen gewesen, bevor ich überhaupt ein Exemplar in der Hand hielt. Durch den Comic-Podcast „POW!“ wurde mir diese Reihe bereits schmackhaft gemacht. Muss man denn viel mehr sagen als: Samurais, antropomorphisierte Wesen und schlauer Humor. Ebenso wurde in besagtem Podcast darüber geredet, wie sperrig der Anfang dieser Reihe doch sei. Dem ist zuzustimmen, denn anfangs erschienen die Kapitel beziehungsweise Hefte zu „Usagi Yojimbo“ noch in Comic-Anthologien. Erst drei Jahre nach der Erstveröffentlichung in den USA (1984) startete Stan Sakai seine Erfolgsreihe als eigenständige Serie. Bis heute wurden 37 Sammelbände veröffentlicht.

Copyright: Dantes Verlag

Die Geschichte um den Protagonisten Usagi, was übersetzt so viel heißt wie Hase, ist bis heute ausschließlich in den kreativen Händen des Erfinders. Dass Netflix nun eine Serienadaption mit einem ähnlichen Titel veröffentlichte, liegt auch daran, dass Stan Sakai ein sehr experimentierfreudiger und kreativ offener Künstler zu sein scheint. Nicht anders ließe sich erklären, warum er seine Figuren des Öfteren in die Welt der Teenage Mutant Ninja Turtles führt, die von befreundeten Kollegen Sakais gestaltet wurden.

Stan Sakai verschließt sich wenig und zeigte bisher wenig Angst seine Figuren neu zu denken. So ist der mittlerweile zehnfach mit dem Eisner-Award ausgezeichnete Künstler ebenfalls Entwickler einer „Space Usagi“ also Science-Fiction-Samurai-Action Spin-Off, „Chibi Usagi“ einer Adaption für Kinder seines Samurai-Hasen, einer Adaption der japanischen Sage „47 Ronin“ und vielen weiteren Kollaborationen erschuf.

Aber was ist denn Usagi Yojimbo nun?

Im Comic Usagi Yojimbo verfolgen wir den Samurai Miyamoto Usagi. Er ist ein Hase, der seine Ohren über dem Kopf wie einen Zopf zusammenbindet. Alle anderen Figuren in dieser Welt sind ebenso Tiere oder zumindest tierähnliche Wesen. Wir begleiten den ehemaligen Offizier eines Fürsten, durch den Tod seines Herrn zum Ronin degradierte, Usagi, wie er häufig allein durch ein alternatives Japan des frühen 17. Jahrhunderts streift. Dort existieren kleine Dinosaurier ähnliche Echsen, die Tokage genannt werden und so etwas wie Straßenhunde darstellen sollen. Ebenso trifft unser Held immer wieder auf mystische Wesen, Sagengestalten und Geschöpfe aus der japanischen Folklore. Doch ist ist er der wahrscheinlich begnadetste Kämpfer seiner Zeit und kennt keine Furcht.

Copyright: Dantes Verlag

Da er seinen Lebensunterhalt irgendwie bestreiten muss, erledigt er Arbeiten als Leibwächter, Kopfgeldjäger und Problemlöser. Allerdings ist er natürlich auch Samurai, also ein Hase mit Kodex, Anstand und starkem moralischem Rückgrat. Dies verkompliziert die Geschehnisse und Abläufe so manches „idiotensicheren Plans“ eines raffgierigen, machthungrigen oder schlicht böswilligen Fürsten, Ortsvorstehers oder Halunken jeder Art.

Wer bis hierhin an „Lone Wolf & Cub“ gedacht hat, vielleicht sogar einige Assoziationen zu Kurosawas Filmen aufkamen, dem sei gesagt, dass sie damit goldrichtig liegen. Diese Reihe zeichnet sich durch vielerlei Qualitäten aus. Die Atmosphäre und die dichte an kulturellen Referenzen sind nur die augenscheinlichsten.

Ein Stil wie kein anderer

Stan Sakais Zeichenstil ist einzigartig, auch in schwarz-weiß. Seine Figuren sind weich, liebevoll gestaltet und strahlen eine kindliche Unschuld aus. Dennoch gelingt es ihm Grusel und Schrecken in seine Bilder hineinzulegen, wenn es nötig ist. Nun könnte man denken, dass es ganz sicherlich eine durch und durch brutale Welt ist, in der Usagi sich dort bewegt. Doch weit gefehlt, denn trotz der Schwertkämpfe kommt diese Welt nahezu gänzlich ohne explizite Brutalität aus. Dies zeigt sich am ehesten, wenn eine Figur im Kampf aus dem Leben scheidet. Man sieht dann keine spritzenden Blutfontänen, sondern einfach einen Totenkopf in einer Sprechblase über dem Sterbenden. Natürlich lässt sich manchmal nicht vermeiden, dass ein Körperteil durch einen Schwerthieb abgetrennt wird. Es ist schließlich immer noch eine Geschichte über einen Samurai.

Copyright: Dantes Verlag

Die Szenerie und auch die vielen kleinen Details in den Bildern, die einen großen Teil des Charmes und des Humors mit gestalten, beleben die Welt. Häufig kann man Tokage im Hintergrund spielen sehen, beobachtet Wanderer, hat einen Panoramablick über die Landschaft oder begibt sich in dunkle Ecken, die von Katzen- oder Fledermaus-Ninjas verteidigt werden. Immer spielen Gestik und fast schon einer Karikatur ähnliche Mimik eine große Rolle.

Man erkennt schnell, welche stilistischen Vorbilder Sakai inspiriert haben. Insbesondere bei Duellen, die ganz im Stile des großartigen Werks „Lone Wolf & Cub“ ausgenommen der standesgemäßen Vorstellung ihrer Person, nahezu wortlos von statten gehen. Jedoch finden sich auch Episoden, die ganz ohne Kämpfe oder große Konflikte auskommen und nur vom Leben der Leute erzählen oder von den Schwierigkeiten ein ehrliches Leben zu führen in Zeiten des Hungers. Die Perspektiven sind zahlreich, die Erzählstrukturen ebenso.

Großartige Samurai-Geschichten
Usagi Yojimbo ist ein Garant für hochwertige Unterhaltung mit einem gewissen Mehrwert. Die Einblicke in die Kultur der Samurai, die Mythologie und Geisterwelt der japanischen Folklore und die liebevoll geschriebenen Dialoge machen diese Reihe mit jedem Band liebenswerter. Im Laufe der Geschichte werden einige anfänglich als Nebenfiguren eingeführte Wesen zum festen Bestandteil der Geschichte. Gemeinsam erlebt Usagi mit ihnen spannende Abenteuer, rettet Dörfer, ergründet die eigene Geschichte oder knüpft Freundschaften. Stan Sakais Art und Weise einen solchen Helden in Bild und Schrift zu erzählen sind einzigartig und in jeder Hinsicht Wert gelesen zu werden.
Pro
Liebevolle Figuren
spannende Geschichten aus Mythologie und Kulturgeschichte
witzig und gefühlvoll
Kontra
episodische Erzählweise
10

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

4 Kommentare

      • Gameplay war toll. An die Handlung kann ich mich nicht wirklich Erinnern aber es gibt auf YouTube Videos mit dem Gameplay. Des Weiteren fällt mir ein, dass vor kurzem erst auf Netflix die Samurai Rabbit: Die Usagi-Chroniken erschienen ist. Vielleicht ist es ja was für dich.

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