Wolverine: Der Beste 3 – Haut und Knochen

Zum dritten und vorerst letzten Mal darf der derzeitige Stammautor Benjamin Percy („Wolverine – Im Dunkel der Nacht“) seinen favorisierten X-Men in einer eigenen Reihe zu Papier bringen.

Der kanadische Zyniker Logan alias Wolverine, dessen regenerative Fähigkeiten zu den stärksten des Marvel-Kosmos gehören, beendet den über 19 Hefte aufgebauten Geheimdienst-Spionage-Fall.
Das Team aus Paco Medina, Javi Fernández, Adam Kubert und Lan Medina sind für die Zeichnungen dieses Paperbacks verantwortlich.

Diese etwas umfangreichere Ausgabe von „Wolverine: Der Beste“ steht unter dem Titel „Haut und Knochen“ und ist stärker als die vorigen mit den Geschehnissen des Events „X of Swords“, den „Marauders“ und der Reihe „X-Force“ verwoben. Dem Verständnis der hierin erzählten Geschichte tut dies keinen sehr großen Abbruch.

Ein Anschlag, eine Verschwörung und ein Schwert

Das Schiff der Crew um Katy Pride, die Marauders, war Ziel eines Brandanschlags vor dem Hafen von Madripoor. Es ist die Stadt der Spieler, Betrüger und der Macht des Geldes. Logan sucht dort nach Hinweisen und Informationen zum Anschlag und der fehlenden Fracht. Dabei stößt er auf Akteure, die der in „X of Swords“ bekämpften Welt Arakko entstammen. Der grobschlächtige Blackmore scheint seine verlogenen langen Finger im Spiel zu haben, führt Wolverine jedoch vorerst in die Hände seines ehemaligen Schützlings Solem. Dieser ist scheinbar in die Machenschaften verwickelt und außerdem Träger der verlorenen Muramasa-Klinge, die sich Logan geschworen hat zu finden und sie mit seiner bereits im Besitz befindlichen zu vereinen. Dieses Schwert gehört zu den tödlichsten der Welt, denn sie wurden aus Adamantium geschmiedet.

Der daraus entstandene Konflikt wird unter vielen für Comics üblichen unkenntlich gemachten Schimpfworten und aufeinanderprallenden Fäusten geregelt. Auch die Insel Krakoa und die prominente Telepathin Emma Frost alias White Queen spielen eine Rolle bei der Lösung dieser Situation. Ein zum Ende dieses Handlungsbogens aufgemachter Cliffhanger bleibt jedoch unbeantwortet.

Es ist ein Maulwurf unter uns

Im Weiteren widmet sich Wolverine, der seit Benjamin Percys Einfluss sehr viel Investigationsfähigkeiten und Geheimdienstkontakt besitzt, der Klärung eines viel größeren Problems. Es scheint ein Maulwurf in Krakoa zu sitzen, der mit der geheimen CIA-Organisation X-Desk zusammenarbeitet. Die gesuchte feindliche Gruppierung plant die Insel Krakoa, alle seine Einwohner und die Lebewesen der umliegenden Meere mit höchst giftigen Substanzen zu töten.

Der bereits in den vorigen Ausgaben eingeführte CIA-Agent und Freund Wolverines Jeff Bannister erfährt in der zweiten Hälfte dieses Paperbacks seinen inhaltlichen Abschluss. Außerdem werden alte kollegiale Verbindungen zum Mutanten Maverick, der derzeit freiberuflich als Söldner arbeitet, aufgedeckt und spannend erzählt. Treffend wird die Atmosphäre und Erzählweise als vom Erfinder des Genres Hardboiled Dashiell Hammett inspiriert im Klappentext zusammengefasst. Wer Filme wie „Miller’s Crossing“ oder „Die Spur des Falken“ kennt, weiß sofort, wie man sich die zweite Hälfte dieses Paperbacks vorstellen kann.

Als Abschluss dieses Hefts und der derzeit bekannten Reihe „Wolverine: Der Beste“ liefert Benjamin Percy und der Zeichner Javi Fernández eine Kurzgeschichte im Stile des Moby Dick. Es ist ein rein durch Offsprecher-Boxen erzählter Rückblick auf die Schwere des Lebens, die Bedeutung von Schmerz für das selbige und der Verantwortung, die Wolverine allzu freiwillig auf sich nimmt. Es ist sehr atmosphärisch, zwar sehr zusammenhangslos zu allem Vorigen, dennoch schön gestaltet und interessant für die Figur als solches.

Ein stilisches Wechselbad

Die Eröffnung macht Adam Kubert, einer der stilprägenden Wolverine-Veteranen, die es gibt. Seine Arbeit am Adamantiumklauen tragenden Vielfraß reicht bis in die frühen 90er Jahre zurück, als er mit Larry Hama ganze 17 Ausgaben gestaltete. In der hiesigen Ausgabe zeigt Kubert eine künstlerisch vielseitige Anlehnung an den derzeitigen visuellen Stil der X-Men. Es ist eine schwungvolle Mischung aus tollen Perspektiven, interessanten Panelaufteilungen, einem Wolverine par excellence und einer gelegentlichen Hommage an den Stil Romita Jr.. Auch die von Frank Martin und Espen Grundetjern gewählten Farben funktionieren tadellos und machen diese gesamte erste Hälfte visuell sehr interessant und unterhaltsam.

Die folgenden zwei Kapitel, gezeichnet von Lan Medina und Paco Diaz, präsentieren sich in einem etwas anachronistischeren Stil. Manches Mal erinnert es an Panels aus „Sandman“, andere Male ruft es Assoziationen zum Stil von Joe Bennett („Bruce Banner: Hulk“) hervor. Es ist im Kern etwas kantiger und gröber, was nicht bedeutet, dass sich beide Künstler in Details der Szenerie verlieren können. Die Schraffuren sind häufig in eine Richtung verlaufende parallele Tuschelinien. Kubert hingegen platziert geschwungene Cross-Hatches, Flecken, die wie Fingerabdrücke aussehen, und scheinbar willkürlich aufgetragene Pünktchen, die das Bild beleben, trotz ihrer oftmals reduzierten Ausführung.

Das letzte Kapitel sticht dann nicht nur thematisch, sondern auch visuell extrem heraus. Darin zeigt Javi Fernández, wie man einen Retro-Stil vorgibt und trotzdem mit dem Ästhetikempfinden der heutigen Zeit verbindet. Die farbigen Rasterfolienpunkte sind Schattierung und Kolorierung in einem. Wegen der gedeckten, dennoch nicht weniger kontrastreichen Farben macht sich zudem das Gefühl einer stilistischen Hommage breit.

Fazit
„Wolverine: Der Beste“ endet auf einer versöhnlichen und zufriedenstellenden Note. Die Reihe hatte seine starken Momente, bleibt trotzdem hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es werden viele Fässer aufgemacht, die entweder in Events münden oder unbefriedigend beantwortet werden. Lediglich die Geschichten um den CIA-Mann Jeff Bannister und der Krakoa-Verschwörung werden sinnvoll und auch schlüssig beendet. Wolverine hat in dieser Reihe ein wenig an Profil gewonnen und neue Eigenschaften wurden etabliert. Die Federführung Benjamin Percys konnte die Figur bereichern und es bleibt abzuwarten, ob sich Wolverine als X-Men bald in einem Neustart unter einem neuen Kreativteam nochmals durchsetzen kann. Denn ganz offen gesprochen ist es gerade sehr schwer, gegen die vielen gleichzeitig laufenden X-Men-Titel anzukommen. Wolverine ist in dieser Reihe vielleicht nicht unbedingt „der Beste“, er ist und bleibt aber der coolste griesgrämigste Kanadier, den die Comicwelt je gesehen hat.
Pro
Spannender Abschluss von Wolverines Spionagefall, komplizierte Ermittlungshandlung, stilistische Vielfalt im Artwork.
Kontra
Unterschiedliche Kunststile sprechen möglicherweise nicht alle Leser an und bestimmte Handlungselemente könnten sich unzusammenhängend anfühlen.
9.4

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Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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