Romane sind häufig besonders gutes Ausgangsmaterial für eine Graphic Novel. Es ist interessant, wie die Szenaristen und Zeichner auf Grundlage des geschriebenen Werks eine Welt entwickeln, einen Stil prägen.
Diese vorliegende Graphic Novel wurde von Ryan North und Albert Monteys umgesetzt. Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman „Schlachthof 5: oder Der Kinderkreuzzug“ vom Autor Kurt Vonnegut. Dieser war selber Veteran in dem von ihm beschriebenen Zweiten Weltkrieg. Die teilweise autobiografischen Züge dieses Werks fließen in skurrile Science-Fiction Ideen und wieder zurück.
Der Cross Cult Verlag hat diese schön gestaltete und hochwertig hergestellte Graphic Novel im Hardcover Albumformat veröffentlicht.
So ist das
Es zeugt von viel Humor und Selbstironie, wenn man ein Werk mit einer Offenlegung des eigenen Wirkens und der Bedeutung beginnt. In diesem Fall machen die Künstler North und Monteys ganz klar, dass dies eine Comic-Adaption ist, die zwar Ähnlichkeiten aufweist, aber auch Unterschiede zelebriert. Daraufhin erhält man eine kurze Präsentation der wichtigsten Figuren dieser Geschichte und einen Zeitstrahl, der das Leben von Billy Pilgrim in einem rot-violetten Farbspektrum von Anfang bis Ende zeigt. Die Tralfamadorianer unter den Leser:innen wissen natürlich, dass dies alles zur selben Zeit geschieht. Dazu jedoch später mehr.
Billy ist Soldat im Zweiten Weltkrieg. Er ist schlecht ausgerüstet, friert und ist in miserabler Begleitung. Ein Wunder, dass er den Krieg in solch schlechter Verfassung überhaupt überlebt hatte. Zum Ende des Krieges war er ebenfalls ein Zeuge der Bombardierung Dresdens und nur einer weniger Überlebender. Aber aufgepasst!
Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt. Wie sich nämlich herausstellt, wird Billy eines Tages von einer Alien-Spezies, den Tralfamadorianern, entführt und erhält die Fähigkeit zu sehen. Damit ist Billy Pilgrim aus der Zeit gefallen, denn er kann von nun an alles zeitgleich sehen und sich zwischen seinen eigenen Ichs der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewegen. Dies geschieht in dieser Geschichte zum Glück nicht allein zum Selbstzweck. Es werden wichtige Stationen, Entscheidungen, Krisen, Traumata, Schicksalsschläge, Freude, Ambitionen, Liebe und vor allem der Tod thematisiert und gezeigt.
Mittels der kunstvoll eingesetzten Zeit- und Ortssprünge verdichtet sich diese Geschichte zu einer sehr tragischen und vom Schrecken des Krieges gezeichneten Biografie. Die parallel erzählten Ereignisse ergeben eine wundervoll atmosphärische wie auch skurrile Lebensgeschichte voller humorvoller kleiner Momente.
Ohne Schnörkel und voller Facetten
Der von Albert Monteys gezeigte Stil ist sehr frisch, modern, ein wenig an einige franko-belgische Werke der jüngsten Zeit erinnernd. Klare Linien, sauber strukturierte Szenerien und eine Farbstimmung, die jede Szene mit der nächsten verzahnt oder trennt, sind nur einige ganz offensichtliche Mittel der Gestaltung.
Aufgrund der teils parallel laufenden Handlungsstränge, den simultanen Emotionen und der Überblendung von Zeit und Ort zum Nächsten bedarf es einer Art Blende. Diese wird zumeist mit einem violett blubbernden Irgendwas dargestellt; in einigen Szenen ist diese Flüssigkeit schwarz. Die Panelstruktur und Inszenierung auf einer Seite verkörpern den skurrilen und surrealen Ablauf dieser Geschichte perfekt.
Direkt zu Beginn wird eine Gruppe Nebenfiguren in nur wenigen Bildern pointiert charakterisiert. Diese Art des Zwischenschnitts auf eine Person oder ein Ereignis gehören zum gewöhnlichen Gestus dieses Werks. Auch dann gelingt es den Künstlern, die Textpassagen sehr fließend und natürlich zu inszenieren.
Mit ihren zahlreichen aberwitzigen Einschüben erinnert es in manchen Szenen an eine gut geschriebene Komödie. Wäre da nicht die immer wieder aufgezeigte Realität. Der Krieg, die Zerstörung, der Schock, die Verzweiflung und die Hilflosigkeit sind ebenso gleichberechtigt und mindestens genauso gelungen in Bildern gebannt worden. Das Leiden des Billy Pilgrim entfaltet sich durch die gewonnene Perspektive dank der Fähigkeiten der Tralfamadorianer dann umso wirkungsvoller. Es ist das unumgängliche Schicksal des Billy Pilgrim, an diesen Orten zu dieser Zeit so zu empfinden, auch wenn er bereits davon im Voraus weiß. Der Schmerz bleibt, die Vielschichtigkeit bleibt und dennoch lässt einen dieses Werk an keiner Stelle in depressivem Schock sitzen. Dank der leichten und wegen ihrer schlichten Kolorierung und Schattierung ansprechend sanften Art und Weise verfällt man nicht in eine Starre, wie sie Billy erleidet.
[…] Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug […]